In gutem Zustand ist aber auch Capua nicht. Gestern waren die Gassen dunkel und verlassen. Das Restaurant, in dem ich aß, war nicht teuer, das Essen versalzen. Vielleicht lastet auf der Stadt, in der die berühmte Gladiatorenschule Frischfleisch für das Kolosseum lieferte, aber auch ein Fluch.
Auf dem Weg bis Caserta war die Gegend armselig, wild verbaut und außergewöhnlich vermüllt. 12 km sind es auf der Via Appia, und es gibt nur vereinzelt Stellen, an denen keine Häuser stehen. Es reihen sich Matratzenläden, Schrauberbuden, heruntergekommene Etablissements von Handwerkern, Ramschläden, Bauruinen und Billigbars aneinander. Autos rollen ununterbrochen. Es gibt einen durchgehenden Fußweg, der ist eine einzige Berg- und Talbahn. Die Szenerie erinnerte mich an Provinzstädte in Kenya.
Ich verstehe nicht, wie ein altes Kulturvolk so nachlässig mit seiner Landschaft umgehen kann.
Den Abschluss der heutigen Wanderung bildete die Besichtigung von Schloss und Park in Caserta. Seume erwähnt es, verweist aber auf zahllose existierende Beschreibungen, und verzichtet daher auf Details. Es ist eines der größten Barockschlösser Europas. Und groß ist eigentlich die wesentlichste Eigenschaft. Das gilt auch für den Park, der über ausgedehnte Rasenflächen verfügt und vor allem aus einer sehr langen Sichtachse besteht. Skulpturen verlieren sich da ein wenig. Man läuft und läuft … während die Angestellten ungehemmt mit diversen Autos in dem Park herumfahren.
Das Schloss aber lohnt eine Besichtigung. Es gibt bemerkenswerte Deckengemälde, zahlreiche gut ausgestattete Räume. Auffallend war für mich die Erhaltung des Bades und der Toiletten der Herrscher. So etwas ist ja oft nicht mehr zu besichtigen. Es gibt eine imposante Bibliothek. Der vorhandene Bilderschmuck der Räume wurde – was ich als mutig ansehe – mit zeitgenössischer Kunst durchmischt. Eine eigentlich gute Idee. Die Gemälde umfassen vor allem weltliche Themen: Herrscherporträts von Kind bis Hund, Schlachtenszenen, aber auch sehr viele interessante Landschaftsbilder.
Am meisten beeindruckt hat mich jedoch ein Raum, in dem wie in einem Diorama biblische Szenen dargestellt waren. In Glaskästen waren in entsprechender Kulisse zahllose, etwa 30 cm hohe Puppen zu außergewöhnlich lebendig und lebensecht wirkenden Szenen drapiert. Vor allem die Puppen, die auch die verschiedenen Kulturkreise der Erde abbilden sollen, faszinierten mich, denn alle hatten individuelle Gesichter, aus Terrakotta geformt, sehr natürliche Gesten und Köperhaltungen, dabei die verschiedensten Alltagsszenen zeigend. Die heilige Familie wirkte da fast schon beiläufig hineingestellt. Auch zahlreiche Gegenstände waren in Miniaturen abgebildet. Brunnen und Quellen hatte man mit winzigen gläserne Wasserfontänen versehen. Das Ganze wirkte wie ein kleiner Historienfilm. Vielleicht geht das einher mit der hier sehr verbreiteten Kultur der Weihnachtskrippen, die ebenfalls zu Hauf in den Läden entlang der Straße angeboten wurden.
Mein Quartier ist in einem lausigen Hinterhof, nicht weit entfernt von Schloss und Bahnhof. Draußen bellt nahezu ununterbrochen ein Hund. Es ist innen ganz nett eingerichtet, aber wieder so kalt, dass man es eigentlich nur auf der Empore mit dem Bett aushält, obwohl die Heizung jetzt schon seit mehr als einer Stunde läuft. Immerhin konnte ich mir noch mal einen starken Tee kochen. Die letzten Krümel sind verbraucht. Aber morgen kommt meine liebe Gattin zu mir nach Neapel, und sie bringt guten schwarzen Tee mit. Vier schöne Tage wird sie mit mir verbringen und ich werde etwas weniger im Blog hier schreiben. Am Abend des 4. Dezember steige ich auf die Fähre nach Palermo. Dann bleiben mir noch zehn Tage bis zum Antritt der Heimreise. Wird sicherlich noch mal schön, wird dann aber auch Zeit. Gleichwohl wächst langsam die Freude in mir, dass ich mein Ziel – Syrakus - wohl erreichen werde.
Bei Capua an der Via Appia
Tag 91 Von Capua nach Caserta
Verlassenes Kaufhaus, Via Appia
Figurendiorama im Schloss Caserta
Das Schloss ist ein gigantischer Bau vor einem gigantischen Platz unter dem eine gigantische Tiefgarage lauert.