In Augusta habe ich noch einen kleinen Rundgang durch die Stadt gemacht. Die Altstadt ist ein kleines Juwel, dass noch nicht dem Massentourismus geopfert wurde. Die Straßen sind in Quadranten angelegt, die Autos fahren, aber sie fahren wenigstens immer in eine Richtung, weil es lauter Einbahnstraßen gibt. Beindruckt hat mich, dass es noch zahlreiche eingeschossige Häuser gibt, daneben auch zeitgenössische mehrstöckige Gebäude, die wie einzelne Zähne eines alten Gebisses in den blauen Himmel stehen. Dann ging ich zur Bahn, die hier stündlich nach Syrakus fährt.
Obwohl die Strecke elektrifiziert ist, fuhr ein Dieseltriebwagen. Syrakus hat einen Kopfbahnhof, der für die Verhältnisses Seumes etwas außerhalb des alten Zentrums Ortigia liegt. Das erreicht man über eine Brücke, an der sich auch gleich ein paar antike Ruinen der griechischen Zeit finden.
Syrakus hat für mich einen besonderen Klang. Als Kind war ich fasziniert von dem Buch „Abenteuer mit Archimedes“, das eigentlich eine Einführung in Mathematik und Physik für Kinder ist. Beide Fächer sind mir in der Schule nicht schwergefallen. Nur bin ich dann was völlig anderes geworden.
Jetzt darf ich erstmal stolz auf die letzten Monate zurückblicken. Ich bin bis heute, die kurzen Strecken dieses Tages mit eingerechnet, 2.160 km gelaufen. Das ergibt einen Tagesdurchschnitt von ca. 25 km, denn ich bin nicht an allen der 105 Reisetage gewandert. 599 km habe ich mit anderen Verkehrsmitteln bewältigt: Bus, Boot, Eisenbahn, trampend. Das sind zusammen 2.759 km. Neben Flugreisen, Fahrten durch die beiden Amerikas und einer tollen Eisenbahnreise im Jahr 2012 ist das eine meiner längsten Reisen und ungeschlagen die zeitlich längste Reise. Aber bitte kein Neid: damit ich mir das erlauben kann, habe ich 40 Jahre hart gelernt und gearbeitet und auch etwas gespart.
Heute Nachmittag bin ich noch zur Arethusa-Quelle gegangen. Das ist eine Süßwasserquelle, die am Rande der auf einer Insel im Meer liegenden Altstadt von Syrakus entspringt. Diese Quelle war das immer wieder genannte Ziel von Seumes „Spaziergang“. Er schreibt:
„In dem heutigen Syrakus oder dem alten Inselchen Ortygia ist jetzt nichts merkwürdiges mehr, als der alte Minerventempel und die Arethuse. Diese Quelle ist, wenn man auch mit keiner Silbe an die alte Fabel denkt, bis heute noch eine der schönsten und sonderbarsten, die es vielleicht gibt. Wenn sie auch nicht vom Alpheus kommt, so kommt sie doch gewiß von dem festen Boden der Insel; und schon dieser Gang ist wundersam genug….Ich fand eine Menge Wäscherinnen an der reichen, schönen Quelle. Das Wasser ist gewöhnlich rein und hell, aber nicht mehr, wie ehemals, ungewöhnlich schön. Ich stieg so tief als möglich hinunter und schöpfte mit der hohlen Hand: man kann zwar das Wasser trinken, aber süß kann man es wohl kaum nennen, es schmeckt noch immer etwas brackisch, wie das meiste Wasser der Brunnen in Holland.“
Seume hat sich relativ lange in Syrakus aufgehalten. Mal sehen, ob ich morgen noch einige der Orte besuchen kann, die er erkundete. Das alles hier zu zitieren, was er über den Ort schreibt, würde den Rahmen sprengen.
Am Freitagabend werde ich mit dem Schlafwagen die Heimreise nach Berlin antreten.
Die mit dieser Aktion verbundene Spendensammlung für die Ukraine hat den Betrag von 2.242 € erreicht. Ich runde mit viel Freude auf 2.500 € auf.
Ein Blick aus dem Zug. Dass meine Wanderstrecke oder die mit dem Esel nicht besonders hübsch geworden wäre, sah ich auch im Dezember 2023 noch einmal, als ich parallel zur Bahn mit dem Bus fuhr. Alles zugebaut mit Industrie.
Tag 105 Mit der Bahn nach Syrakus, Finale
Das ist die Arethusaquelle, die Seume immer als das eigentliche Reiseziel nannte, wenn er bei Passkontrollen kritisch befragt wurde.
Der Dom von Syrakus, ein vermurkster greichsischer Tempel.
Eine Höhle (das Ohr des Dynisos) vor der Stadt, wo sich Seume u.a. aufhielt, als er in Syrakus weilte.