Das war mein letzter Tag mit Fußwanderung auf dieser Reise. Die restliche Strecke nach Syrakus darf ich morgen mit der Bahn fahren, denn Seume ritt fast die ganze Strecke auf dem Esel. Nur zum Bahnhof Augusta habe ich drei Kilometer zu gehen.

Als würde Sizilien mich besonders schnell loswerden wollen, gab es heute noch mal Saures: 25 km Straße. Die war anfangs nur leicht befahren. Aber der Verkehr wurde mit der Nähe zur Küste immer heftiger. Und 5 km vor Augusta setzte auch noch ein wenig Regen ein.

In Villasmundo, etwa auf halber Strecke, traf ich auf einen jungen Mann, der sehr gut Deutsch sprach und auch ein begeisterter Reisender ist. Er sprach mich auf dem Fußweg an, und wir hatten ein kurzes Gespräch über unkonventionelle Formen des Reisens. Bis vor einigen Jahren hat er noch als Bauleiter gearbeitet. Jetzt ist er Yogalehrer, organisiert Höhlen- und Klettertouren.

Wenig später, in einer Bäckerei, habe ich zwar das Wasser bezahlt, aber man hat mir mit guten Wünschen für das Stück Pizza nichts berechnet.

So wurde ich zweimal ein wenig getröstet auf der tristen Straße in der nicht sehr spektakulären Landschaft, die ich durchwanderte. Und Orangen gab es auch.

Augustas Altstadt liegt auf einer kleinen Insel im Meer, der Zugang wird durch eine alte Festung verstellt. Die Stadt ist bis heute Marinestützpunkt.

Der junge Mann, der mich im Quartier einchecken ließ, meinte, er hätte mich heute schon mal auf der Straße überholt, wusste da natürlich nicht, dass ich sein Gast bin.

Seume zum heutigen Tag:

„Von hier (Lentini - ep) wollte ich endlich nach Syrakus; aber ich ging in den Mauleseltriften der Bergschluchten und Höhen und Täler abermals irre, und kam, anstatt nach Syrakus, nach Augusta. Das erste Stündchen Weg war schön und ziemlich gut bebaut: aber sodann waren einige Stunden nichts als Wildnis, wo rund umher Oleaster, fette Asphodelen und Kleebäume wuchsen. Eine starke Stunde vor Augusta fing die Kultur wieder an, und hier ist sie vielleicht am besten auf der ganzen Insel. Der Wein, den ich hier sah, wird ganz dicht am Boden alle Jahre weggeschnitten, und die einzige Rebe des Jahres gibt die Ernte. Das kann nun wohl nur hier in diesem Boden und unter diesem Himmel geschehen. Es ist ein eigenes Vergnügen, die Verschiedenheit des Weinbaues von Meißen bis nach Syrakus zu sehen; und wenn ich ein weingelehrter Mann wäre, hätte ich viel lernen können. Die Landzunge, auf welcher Augusta liegt, mit der Gegend einige Stunden umher, gehört zu dem üppigsten Boden der Insel. Vor der Stadt machte man Salz aus Seewasser, zu welcher Operation man einen großen Strich totes Erdreich brauchte. Nirgends habe ich so schwelgerische Vegetation gesehen, als in dieser Gegend. Die Stadt ist ringsum vom Meere umgeben, und es führt nur eine ziemlich feste Brücke hinüber. Von der Landseite ist der Ort also gut genug verteidigt, und es würde eine förmliche Belagerung dazu gehören, ihn zu nehmen. Von der Seeseite scheint das nicht zu sein. Die wenigen Werke nach dem Wasser zu wollen nicht viel sagen.

Seume war also nur aus Versehen hier gelandet, wie an einigen anderen Orten auch, die ich die Tage zuvor besuchte. Tatsächlich wäre die Route im Süden entlang der Küste auch heute kürzer gewesen.

Heute bin ich übrigens nur knapp einem Unfall entronnen. Kurz vor Augusta auf schnurgerader Straße laufe ich am linken Rand, um den entgegenkommenden Verkehr im Auge zu haben. Plötzlich aber kommt von hinten ein riskant überholender Transporter geschossen und streift meinen rechten Oberarm mit scharfem Luftzug. Alles um mich rum hupte empört.

Morgens in Carlentini

Tag 104 Von Carlentini nach Augusta

13. Dezember 2022, 25 km bis km 2.755

Auf dem Weg durch Villasmundo


Auf der Straße nach Augusta. Im Hintergrund die Schornsteine der Raffinerien vor Syrakus

Straße in Augusta