Eigentlich ein touristisches Highlight. Sucht man aber nach einem Hotel, machen diese fast Ausnahmslos mit der angeblich kurzen Distanz zu dem nahgelegenen Outletcenter Werbung.
Die Wälle sind so hoch und die Kirche ist so niedrig, dass man von der Stadt aus der Umgebung heraus eigentlich nichts sieht. Trotzdem wurde die Festung von Napoleons Truppen erobert. Im 1. Weltkrieg hatte sie nur noch als Ausbildungsort und Lazarettstadt Bedeutung.
Das Land ist jetzt sehr flach, ab und zu von kleinen Flüssen und Entwässerungsgräben durchzogen.
Etwa auf halber Strecke nehme ich einen merkwürdigen Geruch wahr. Hühnerstall. Ich höre ein merkwürdiges Brummen, dann stehe ich vor gigantischen Hallen, an deren Stirnseiten jeweils eine Batterie von riesigen Lüftern gelbe Staubwolken nach draußen befördern. Es stinkt penetrant. Das Dumme ist, dass ich keine Wahl habe und etwa 300 m durch diese Staubwolken durchlaufen muss. Jetzt habe ich wahrscheinlich Antibiotika genug für den Rest der Reise getankt. Oder bin automatisch gegen Vogelgrippe geimpft worden. Ich habe leider einen feinen Geruchssinn. Hühnerstall – das ist Teil meiner Kindheit. Aber ich mochte ihn nicht, den Aufenthalt in dem vorgekackten Kabuff, aus dem man den Hühnern die Eier klauen musste.
Da halfen später auch die Abgase nicht, als ich entlang der Straße weiterlief, der Geruch blieb in der Nase. An einem Kreisverkehr setze ich mich in ein Cafe. Ich wasche mir auf der Toilette den Kopf, Hände sowieso. Das Geruchsgedächtnis ist stärker. Ich esse Toast, vegetarisch, ich rieche Hühnerstall. Ich reibe mir dezent die Hände mit der Zitrone ein, die es zum Tee gab. Hühnerstall.
Danach ging es kilometerweit durch eine Ansammlung von Industriehallen. Fast alle Branchen sind vertreten. Es ist schon mal beeindruckend, dass in Europa noch richtig was produziert wird, und dass man keine einzige der zahllosen Firmen kennt. Lauter hidden champions, denke ich. Beeindruckend waren auch die vierspurigen Straßen mit richtigen Baumalleen und großen Kreisverkehren, aber keinem Zentimeter Fußweg.
Udine ist eine nette Stadt, wie eben alle italienischen Städte irgendwie nett sind, aber nicht unbedingt große Umwege wert. Da morgen mein Ruhetag ist, besuche ich den Waschsalon neben dem Hotel. Etwas nervös wurde ich, als sich nach Ablauf des Waschprogramms die Maschine mit meiner Wäsche nicht mehr öffnen ließ. Eine anwesende Italienerin rief dann eine Servicenummer an, die verriet, wie man das Menü der Maschine austricksen kann.
So blieb mir heute sogar noch Zeit für den Weg zum Schuster (am anderen Ende der Stadt). Der wird bis morgen Abend die völlig abgelaufenen Absätze meiner Wanderschuhe erneuern. Auf dem Rückweg zum Hotel dann noch Obst gekauft und zu Abend gegessen. Als ich durch das nächtliche Udine trottete, wehte warme Abendluft aus dem Umland heran. Und was rieche ich? Hühnerstall.
Die nahezu vollständig erhaltene Befestigung von Plamanova.
Tag 50 Von Palmanova nach Udine
Der zentrale Hühnerstall Italiens.
Udine. Da hinten ist mein Hotel.