In Slovenske Konjice habe ich die Halbschuh gegen die Stiefel getauscht. Denn von nun an ging es fast den ganzen Tag über Stock und Stein, diverse Wald- und Feldwege, zudem mit starkem Gefälle. Seume schreibt zu dieser Etappe:
"Von Gannewitz (das ist heute Slovenska Bistrica) aus ist ein hoher, furchtbar steiler Berg, weit steiler als der Sömmering; so daß vierunddreißig Ochsen und sechs Pferde an einem Frachtwagen zogen, den die sechs Pferde auf gewöhnlichen Wegen allein fortbrachten. Die Berge sind hier meistens mit schönen Buchen bewachsen, da sie an der Murr fast durchaus mit Schwarzwald bedeckt sind.
In Cilli kam ich ziemlich spät an, und tat mir gütlich in sehr gutem Bier, das nun ziemlich selten zu werden anfängt. Aus Verzweiflung muß ich Wein trinken, und zwar viel; denn sonst würde man mich ohne Barmherzigkeit auf ein Strohlager weisen, und wenn ich auch noch so sehr mit dem Gelde klingelte. Es wurde hier bei meiner späten Ankunft so stark geschossen und geschrien, daß ich glaubte, es wäre Revolution im Lande. Wie ich näher kam, hörte ich, daß es Schlittenfahrten waren."
Den steilen Berg habe ich auch erklommen. Und wenn man davon ausgeht, dass er die Verlängerung der oben erwähnten Hauptstraße bildet, könnte es Seumes Weg gewesen sein. Auf jeden Fall ging ich einen sehr steilen, etwa 3 m breiten historischen Hohlweg mit alten abgerundeten Steinen, die zum Teil den Belag bildeten. Und ja, der Anstieg war steiler als der auf den Semmering. Allerdings ging es ab einer Höhe von 730 m wieder ins Tal.
Seume hörte sicher wie ich auch in den Weinbergen Vogelscheuchen, kleine Windräder auf hohen Stangen. Wenn die sich drehen, werden an der Achsen Holzpflöcke bewegt, die gegen ein Brett schlagen, was ein weit hörbares rhythmisches Klappern verursacht. Diese einfache Erfindung habe ich in Betrieb gesehen, natürlich nur in kleiner Zahl. Eigentlich eine einfache, ökologisch vorbildliche Erfindung.
In Niederösterreich wurde ich Zeuge viel rabiaterer Maßnahmen: dort hat man in Maisfeldern und Weinbergen Selbstschussanlagen installiert, vielleicht billig von der DDR abgestaubt. Die geben tatsächlich etwa alle 10 Minuten automatisch einen Schuss ab, um Getier zu vertreiben. Würde mir als Nachbar tierisch auf die Nerven gehen.
Bei dieser Gelegenheit musste ich an meine großen Söhne denken. Als die so drei, vier Jahre alt waren, haben wir im Wald mal eine Hütte aus Ästen und Zweigen (natürlich Totholz) gebaut. Als wir eine Woche später die Stelle erneut aufsuchten, war die Hütte eingestürzt. Ich sagte: „Das waren bestimmt die Wildschweine!“ Darauf der Zweitgeborene: „Dann hätten wir noch eine Schweinescheuche bauen müssen.“
Als ich gegen Mittag im Wald (orientierungslos) eine steile Böschung herunterkletterte und einen kleinen Bach überquerte, stand ich plötzlich vor einer hohen hellen Mauer. An der ging ich lang und fand mich an einem imposanten Tor mit Blick auf einen Hof mit einer gotischen Kirche wieder. Ich war zufällig auf das Kartäuserkloster Seitz (Zicka kartusia) gestoßen. Sehr nettes Café. Für mehr reichte es bei mir nicht, Eintritt für eine Besichtigung wollte ich nicht bezahlen.
Nach wie vor beeindruckt mich der Wohlstand der Gehöfte. Hier werden zum Teil dreigeschossige Villen auf die Hügel gesetzt, bei denen ich mich echt frage, wie viele Generationen da wohl wohnen mögen. Eine solche Bude würde in Berlin eine Dreißiger-WG ermöglichen. Natürlich gibt es auch klein und fein, dann wohl eher als Datsche. Einige der Häuser dürften im Winter nur mit Schneeketten zu erreichen sein. Ob die wohl alle an die Kanalisation angeschlossen sind? Brunnen sieht mal ja nach wie vor.
Heute bin ich 33 km marschiert und habe dabei 680 m bergauf und 800 m bergab gemacht. Das war hart, und ich kam erst im Dunkeln im Hotel an. Aber die letzten Kilometer waren beleuchtet, denn es ging durch beachtliche Industriegebiete vor Celje. Diese etwas anstrengende Tour habe ich gut verkraftet, wohl wissend, dass morgen mein Ruhetag ist. Seume hat das alles bei klirrender Kälte weggestiefelt. Unglaublich.
Ein steiler steiniger Anstieg hinter Slovenske Konjice
Tag 39 Von Preloge nach Celje
Man hätte Lust, hinunterzugehen in dieses Tal. Aber dann droht ein gefährlicher Umweg.
Dann schreibt Seume zu der Gegend hier:
„Eine herrliche, ökonomische Musik war es für mich, daß die Leute hier überall links und rechts auf Bohlentennen draschen.“