Wenn ich die Gegend hier mit Ostdeutschland vergleiche, dann fällt auf, dass es kaum Herrenhäuser, Burgen oder Schlösser gibt. Und hier – wie übrigens auch in Österreich, wo ich es echt nicht erwartet hätte – sind die Schlösser oft in keinem guten Zustand. Mag sein, dass man ihnen in Titos Zeiten schon wenig Beachtung geschenkt hat.

Interessant ist, dass Herrenhäuser auch in Seumes Schilderung kaum Beachtung fanden. Hätte er da nicht um ein Quartier anfragen können? Oder war das unüblich, weil nicht zu seinem (niedrigen) Stand passend? Oder waren die Herrschaften eher nicht an Gästen interessiert? Auch ich habe es bisher nicht drauf ankommen lassen und immer rechtzeitig Quartiere gebucht. Das hat in meinem Fall aber auch einen anderen Grund: ich hätte keinerlei Gastgeschenk zu bieten, ich brauch abends meine Zeit für das Tagebuch, Datensicherung, Bildbearbeitung und die ein oder andere dienstliche Angelegenheit. Ein Abend mit netten Gastgebern wäre mir durchaus willkommen, aber er würde alle sonstigen Zeitpläne durcheinanderbringen. Nicht zuletzt war der Zustand meines linken Fußes bis vor fünf Tagen nicht gut, der auch Ruhe und Aufmerksamkeit fordert. Aber vielleicht fasse ich mir ja noch ein Herz. Die imposanten Villen auf den Dörfern werden vielleicht ein Zimmer für mich haben? In die Dorfkneipe setzen und nach einem Quartier fragen – das kann man hier vergessen. Erstens gibt es keine Dorfkneipen mehr, bestenfalls irgendwelche kleinen Bistros neben dem Autohaus, und die Leute, die da sitzen, werden kein Englisch sprechen und möglicherweise sind es auch nicht so interessante Gastgeber. Von der zu erwartenden Abfuhr ganz zu schweigen. Da ich täglich von kurz nach acht bis kurz nach achtzehn unterwegs bin, kann ich abends kaum Risiken eingehen. Und ich brauch einfach meine Ruhe bzw. Zeit für die Spätschicht, die ich gerade schilderte, und die selten vor 22.30 h endet.

Eine weitere Frage, die mich beschäftigt, ist die, wie Seume eigentlich unterwegs seine Verpflegung organisiert hat. Bekannt ist, dass er eine Wasserflasche aus Gummi mitführte. In Italien hat er sich gern mit Orangen eingedeckt. Und gelegentlich erwähnt er Mittagszeiten in Wirtshäusern. Doch ansonsten für Zwischendurch? Kaufhallen gab es nicht und es gibt sie auch heute auf dem Land nicht mehr überall. Hat er Märkte besucht? Bauern etwas abgekauft? Gewiss erschien ihm dies nicht erwähnenswert, weil zu alltäglich. Wie aber war damals der Alltag eines Reisenden?

Was gibt es zum Ruhetag noch zu sagen? Ich habe einen kleinen Spaziergang durch Celje (oder in der deutschen Schreibweise Cilli) gemacht. Die Innenstadt hat geräumige Fußgängerzonen, viele Straßencafés und viel Altbausubstanz, aber auch eine sehr moderne neue Bibliothek. In einem modernen Supermarkt habe ich Lebensmittel gekauft mit einer Selbstbedienungskasse. Diszipliniert habe ich aber meine Füße geschont.

In der Altstadt von Celje (Cilli)

Tag 40 Ruhetag in Celje

10. Oktober 2022

Das Deutsche Haus in Celje. Es wurde 1906 von deutschen Nationalisten gebaut, die glaubten, so ihre Kultur retten zu müssen.