Der Weg bis Pesaro war allerdings außergewöhnlich schön. Mal gab es Fernsicht bis hinter Rimini, mal schaute man von den Hügeln bis weit in das Inland. Ein Berliner Freund, Enrico Pietracci, empfahl mir die Marken bestens, er hat mich nicht enttäuscht. Vor dem Castello di Fiorenzuola di Focara traf ich Kevin, einen italienischen Fernwanderer Mitte 20. Er ist mit 17 kg Gepäck und Zelt unterwegs, schläft meistens im Wald und kommt am Tag mit 10 € aus. Leider begann er seine Paus mit Zigarette und Bier, während ich gerade wieder loslaufen wollte. Kevin kommt aus Norditalien und wandert kreuz und quer durch sein Heimatland. Für einen kurzen Erfahrungsaustausch hat es gereicht.
Von Pesaro bin ich mit dem Zug gefahren, denn auch Seume ist hier nicht gewandert. Vom Fenster sah ich, dass ich nicht allzu viel verpasst habe, denn kurz nach Pesaro begann wieder die Betonburgenkette, dann kamen eine Ölraffinerie und schließlich die Ausläufer von Ancona. Letzteres betrat ich schon bei Dunkelheit, es war frisch geworden, das drückt die Stimmung etwas.
Seume schreibt zum heutigen Tag:
„Als ich den andern Morgen (er war in Pesaro) im Kaffeehause saß und mein Frühstück verzehrte, ließen mir eine Menge Vetturini nicht eher Ruhe, bis ich einen von ihnen nach Fano genommen hatte. Dieser mein Vetturino war nun ein echter Orthodox, der vor jedem Kreuz sein Kreuz machte, sein Stoßgebetchen sagte, seine Messe brummte und übrigens fluchte wie ein Lanzenknecht. Vor allen Dingen war sein Gesang charakteristisch. Ich habe nie einen so entsetzlichen Ausdruck von dummer Hinbrütung in vernunftlosem Glauben gehört. Wenn ich länger verdammt wäre solche Melodien zu hören, würde ich bald Materialismus und Vernichtung für das Konsequenteste halten: denn solche Seelen können nicht fortleben…. Das Prototyp der Dummheit, mein Vetturino, führte mich weiter bis Ankona, da ich einmal in die Bequemlichkeit des Sitzens gekommen war.“
Caspar David Friedrich hätte seine Freude gehabt
Tag 68 Von Gabicce Mare nach Ancona
Von der Steiküste hat man schöne Blicke ins Land.
Abstieg nach Pesaro
Ankunft in Ancona