Nach einem guten Frühstück bei meiner Cousine und einem sehr schönen Abend (sie hatte vorzüglich gekocht!), mit frisch gewaschener Wäsche, auch das habe ich ihr zu verdanken, ging es morgens nicht ganz so früh zunächst durch die Villengegend von Striesen und Blasewitz. Bald war ich auf dem Elberadweg, der schon erheblich frequentiert war von anstrengend dreiblickenden Joggern und zahllosen Radfahrer/innen.

In Laubegast nahm ich die Fähre ans rechte Ufer und kam mit zwei weiteren Passagieren und dem Fährmann in ein freundliches Gespräch – über Seume, den keiner kannte. Einer der Passagiere hatte mir geraten, das rechte Ufer zu wählen – ruhiger und landschaftlich etwas schöner. Aber vermutlich ist Seume am linksseitigen Ufer geblieben, zumindest schreibt er zu dieser Etappe nichts von Flussüberquerungen. Ich erspare mir so einen Umweg um das Gelände der Werft bei Laubegast und schneide eine große Schleife der Elbe ab. Tatsächlich ist der Treidelweg, den ich nun nehme, nichts für schnelle Fahrräder. Das Pflaster aus großen Sandsteinquadern dürfte weit mehr als hundert Jahre alt sein, zahlreiche Steine enthalten eingeritzte Jahreszahlen, Buchstaben, Steinmetzzeichen. Dafür hatte ich leider kein Auge, denn mir stand die erste Bergetappe bevor.

Der Treidelweg ist sehr schön. Man ist immer am Fluss, und diesmal riecht es tatsächlich wieder etwas nach Meer und den Kräutern der noch feuchten Wiese. Generell habe ich den Eindruck, dass mein Geruchssinn schärfer geworden ist mit all der frischen Luft den ganzen Tag. Auf den Dörfern rieche ich von Weitem Kamine, Ställe, offene Küchenfenster, den frisch gebeizten Zaun.

Am Schloss Pillnitz kommt der erste Ausflugsdampfer die Elbe herauf. Die werden inzwischen mit Öl befeuert, und ich bin gespannt, ob man noch bis zum Schluss der Saison die Fahrpreise halten kann. Gestern Mittag beim Griechen war einfach ein Zettel in die Karte geklebt: „Alle Preise müssen wir um 10% anheben wegen gestiegener Kosten“. Der Aufschlag erschien dann händisch auf der Rechnung.






Vor Pillnitz fragte mich ein schwäbischer Radfahrer nach dem Weg. Er konnte sich zwischen den Elbufern nicht recht entscheiden. Er kam von Hamburg mit dem E-bike und wollte noch nach Prag. Der Mann war etwa in meinem Alter und hatte tapfer ein Zelt dabei.

Leider endete der schöne alte Treidelweg hinter Pillnitz im Gestrüpp. Nach Söbrigen ging es einen schmalen Weg auf der Uferböschung entlang, dann auf der Straße bis Birkwitz, dort vorbei an einem Baggersee durch den Wald. Eigentlich wäre schönes Wetter gewesen zum Baden. Aber ich fürchtete den Zeitverlust und aufgequollene Fußsohlen. Toi, toi, toi, auch heute noch alles ohne Blasen.

In der Neubausiedlung vor Pirna beobachte ich einen Skinhead am Glascontainer. Aus seinem Autofenster stampft russischer Rap. Am Markt in Pirna gönne ich mir ein Stück Torte und schwarzen Tee. Vor allem aber nutze ich die Pause, um ein wenig Strom für mein Telefon zu tanken und mir das Gesicht zu waschen.

Hinter Pirna dann ging es langsam bergauf, nicht mit mir, sondern mit dem Weg. Vielleicht war es eine alte Poststraße oder tatsächlich ein gut ausgebauter Forstweg, der ziemlich gerade in langsamer Steigung durch den Wald führte. Vor Cotta finden sich Dämme alter Schmalspurbahnen, die wohl zu den Steinbrüchen in der Gegend gehörten und früher bis hinab nach Pirna reichten. An einem Steinbruch vor Cotta hatte ich leider den Weg verloren und einen kleinen Umweg gemacht. Frustriert folgte ich dann der Landstraße und landete auf ein alkoholfreies Nachmittagsbier ausgerechnet im „Heidekrug“, einem berüchtigten Dorfsaal, welcher von der AfD regelmäßig zu schlimmen Veranstaltungen gemietet wird. Bekannt ist die Location für Höckes rechtsradikale Ausfälle schon vor Jahren. 

Bis Berggießhübel trabe ich entlang einer Straße und werde von rasenden Wochenendheimkehrern genervt. Dann habe ich noch einige Extrameilen bis Bad Gottleuba bewältigt und fand freundliche Aufnahme und die ersten tschechischen Knödel in „Hillerts Hotel und Restaurant“ – einem fragwürdigen Lokal, wie sich am nächsten Morgen herausstellen sollte.

Nun bin ich satt und erschöpft, so erschöpft, dass mich ein wenig fröstelt. Aber alles ist gut.

Auf dem Treidelpfad der Elbe vor Pilnitz

Tag 4 Von Dresden nach Bad Gottleuba

04.September 2022, 32 km bis km 128,6

Blick auf den Marktplatz von Pirna. Diese - so könnte man meinen - sorgenfreie Stadt hat aktuell (2024) einen Bürgermeister von der rechtsextremen AfD.