In Bad Sulza haben sich die Dinge gut entwickelt. Der Kurbetrieb läuft und die Terme hat ordentlich Zulauf. In der ganzen Umgebung haben sich kleine Weingüter und die Sektkellerei wacker geschlagen. Ich hatte eine schlichte Pension mit gutem Frühstück. Was mir besonders gefiel: ich wurde ungefragt an den Tisch anderer Gäste platziert. Ich saß mit einem älteren Paar mit russischem Akzent. Ich trage aus Prinzip ein Armband mit den ukrainischen Farben. Wir haben uns nett vor allem über E-Bikes und das Fahrrad überhaupt unterhalten, über Corona. Aber kein Wort fiel zum Krieg.

Der Ilmradweg wird nach einigen Kilometern zum Saaleradweg, schon morgens voll mit Radwanderern oder Leuten die (vor allem mit E-bikes) einfach herumfahren. Es ist eine Landschaft, die auch die hier verlaufende Saalebahn adelt, als eine der schönsten Bahnstrecken Deutschlands. Ich bin sie viele Jahre gefahren als Pendler zwischen Jena und Berlin. Hier war ich mit Freunden, Kolleginnen und Kollegen wandern, dabei wurden die Weine verkostet. Ich bin mit Söhnen und Freunden die Salle und die Unstrut gepaddelt, zwei noch weitgehend naturbelassene Flüsse.

Gegen Mittag erreichte ich Naumburg. Auf eine Besichtigung des Doms in kurzen Hosen wollte ich es nicht ankommen lassen. Andererseits sind die Outfits der zahllosen Radwanderer auch nicht besonders feierlich.

In Naumburg fing es an zu regnen. Gemischtes Wetter am vorletzten Tag meiner Tour. Wie eine kleine Abschiedssymphonie. In einem Café zweites Frühstück. Es gab Eierkuchen mit frischen Erdbeeren. Da konnte ich nicht widerstehen. Vor dem Café ein beleibter Herr. Er will mit mir reden, ich will weiter, er wirkt etwas aufdringlich. Aber er sagt einen coolen Satz: „Die Neonazis hier sind so blöd, die hätte nicht mal Hitler genommen!“

Der Saaledradweg ist in den letzten Jahren weiter verbessert worden. Ich erinnere mich, als ich ihn vor ca. 15 Jahren das letzte Mal fuhr, dass es viele Straßenabschnitte gab. Jetzt ist er apshaltiert und führt tatsächlich die meiste Zeit am Fluss entlang, es gibt Rastplätzen und Hinweistafeln. Erstaunt war ich, dass bei Leisling an der Saale die Schleuse erneuert wird. Da gibt es ein Wehr mit einem kleinen Wasserkraftwerk.

In Weißenfels fuhr ich erst die Fußgängerzone auf und ab. Aber die Gastronomie dort wollte mich nicht überzeugen. Am Markt ein Container vor der Sparkasse mit dem Geldautomaten, davor eine Schlange. Bargeld ist hier leider ein Muss, denn oft werden Karten nicht akzeptiert. Gegessen habe ich, auch um den Regen abzuwarten, dann in einem polnischen Restaurant Schnitzel und Kartoffeln.

Ansonsten: Weißenfels ist deprimierend. Die Stadt hatte nach der Wende einen schweren Schock zu verkraften. Hier arbeitete gut die Hälfte der Bevölkerung in der Schuhproduktion und in Betrieben, die sich mit Maschinen für die Schuhproduktion befassten. Das brach mit der Öffnung der Märkte 1990 schlagartig zusammen, weil man die Preise der asiatischen Konkurrenz nicht halten konnte. Schließlich hat sich mit „Tönnies“ ein riesiger Fleischverarbeitungsbetrieb einschließlich Schlachthof angesiedelt. Auch eine Möbelfabrik erinnere ich, weil ich dort man Verhandlungen zur Übernahme eines anderen Betriebs geführt habe. In der Fleischfabrik arbeiten vor allem Menschen aus Osteuropa. Es gibt noch eine große Kaserne, in der DDR berüchtigt, weil Teil der Landstreitkräfte, und für diese Waffengattung wurden vor allem Leute mit geringeren Bildungsabschlüssen rekrutiert. Die Bundeswehr nutzt sie noch immer.

Aber geht man durch die Innenstadt, sind die Fassaden teils ganz nett restauriert – hier gibt es viel Barock – aber verirrte man sich die Parallelstraßen, sieht man viel braches Land, weil man die Hinterhöfe entkernt oder komplette Häuserzeilen abgerissen hat. Selbst das große Barockschloss über der Stadt ist nur zur Hälfte saniert.

Immerhin – das polnische Lokal „Süß und Salzig“ hat sich gefüllt, während ich langsam die polnisch-volkstümliche Schlagergutelaunemusik nicht mehr ertrug.

Von Weißenfels nach Poserna kommt man noch einmal ein gutes Stück an der Saale entlang. Dann geht es bergauf über Delitz, mit einem sehenswerten Gtuspark, auf den ich aber bei strömendem Regen keine Lust hatte, über eine Anhöhe bei der Autobahnbrücke. Von dort überblickt man das ganze Saaletal. Man sieht in der Ferne die Schlote von Buna und Leuna, und auch das Rippachtal.

Angekommen in Poserna bin ich erst mal zu dem Grundstück gefahren, an dem vormals Seumes Geburtshaus stand. An dem Haus, welches sein Elternhaus ablöste, findet sich ein großes Relief seines Kopfes und eine Gedenktafel.

Quartier habe ich in Gasthof und Pension "Zum Amboss". Deftiger Landhausstil, Paneele aller Art, aber nett.

Heute war es trotz der Saale etwas hüglig, dafür habe ich morgen nach den knapp 49 km heute etwas weniger zu strampeln. Seit meinem letzten Ruhetag in Frankfurt bin ich jetzt acht Tage am Stück unterwegs. Langsam merke ich das in den Knochen.


An dieser Stelle stand der Bauernhof, auf dem Seume geboren wurde. Links am Haus erinnert eine Plakette.

Tag 29 Von Bad Sulza über Naumburg und Weißenfels nach Poserna

29.Mai.2024, 49 km bis km 1.172,4
In Großheringen mündet die Ilm in die Saale.

Die Saale bei Saaleck

Das breite Tall der Saale. Im Hintergrund die Türme des Naumburger Doms.

Die Saale.

Am Makr tin Weißenfels. Rechts: Schlange vor einem Container mit Geldautomat. Die Sparkasse wird renoviert.

Blick nach Süden an der A 9.