Komoot wollte mich heute über die böse Bundesstraße leiten. Aber nach einigen Kilometern bin ich, tapfer das Umwegrisiko in Kauf nehmend, nach rechts an den Strand abgebogen. Diese kurze Strecke auf der Bundesstraße führte mich an Bunkern vorbei, die wie Pilze aus den Feldern ragen, und im zweiten Weltkrieg (vergeblich) die Amerikaner an einer Landung hindern sollten.

Am Abend zuvor hatte ich mittels Google-Maps nachgesehen, ob der Weg am Strand passierbar ist. Ich wusste, dass nach einigen Kilometern ein Felsvorsprung ins Wasser ragt, an dem man gewiss nicht vorbeikommt. Aber bis dahin wollte ich es probieren. Und ich hatte zweimal Glück: ja, man kann am Strand langgehen und so ein großes Stück auf der Bundesstraße abschneiden. Aber man kann den Weg nur bei Ebbe nehmen, weil die Küste hier aus einer kaum unterbrochenen steilen Böschung besteht. Und ich hatte Glück, denn es war gerade Ebbe. So konnte ich auch die Einmündung von zwei kleinen Flüssen, die einfach so im Strand versickerten, bequem passieren, ohne landeinwärts zu den Brücken zu gehen.

Es war so herrlich warme Sonne, das Meer lag ganz still, und ich habe mich dann doch zu einem Bad entschlossen. Der Verlockung, im tiefsten Herzen des Katholizismus FKK zu machen, konnte ich nicht widerstehen.

Nach etwa drei Kilometern am Strand sah ich den Felsvorsprung vor mir und bin an einer kleinen Badebucht durch die Dünen wieder zur Straße, die hier aber eine Nebenstraße ist.

Auf dem Hochufer ging es an mehr oder weniger schöne Datschen, Villengrundstücken und einfachen Wohnhäusern vorbei. Beim Torre de Manfrio, einem mittelalterlichen Wachturm, war doch allen Ernstes ein Wanderweg ausgeschildert, der erste, den ich auf Sizilien fand. Am Schild ein Aufkleber, dass dieser auf Initiative von Cinque Stelle angelegt wurde. Da ich wieder auf der Bundesstraße war, folgte ich dem Wegweiser und bog ab. Aber wie bei dieser politischen Partei auch, war nach wenigen hundert Metern Schluss mit Markierungen, so dass ich zähneknirschend zurück zur Bundesstraße ging.

Einige Kilometer vor Gela hate man schöne Ausblicke von den Hügeln, über die der Weg führt. Dann gelangt man in einen Vorort, der so gar nicht typisch italienisch ist: breite Straßen, Fußwege, Neubaublöcke und viele, viele Bäume. Bäume!

Gela wurde vor ca. 2.500 Jahren von den Griechen gegründet, danach mehrfach zerstört und schließlich verlassen. Im Jahr 1233 wurde die Stadt von Kaiser Friedrich II. unter dem Namen Terranova di Sicilia neu gegründet. Sie behielt diesen Namen bis 1928, als sie wieder ihren ursprünglichen Namen erhielt. Und dieser Umstand hat mich bei der Planung der Strecke reichlich verwirrt. Vergeblich suchte ich auf den Karten nach Terranova und kam dann zu dem Schluss, dass Seume wohl Gela gemeint haben muss, wenn man der Logik seiner Strecke folgt. Tatsächlich ist Terranuova nach Seumes zeit wieder in Gela umbenannt worden.

Seume schreibt über den Weg hierher:

„Überall warnte man mich vor bösen Wegen und vorzüglich hier in Alikata (er meint Licata, wo ich gestern hindurchkam – ep), wo man sagte, daß die achtzehn Millien von hier nach Terra Nuova die schlimmsten in der ganzen Insel wären. Sono cattive gente, hieß es; und cattive war der ewige Euphemismus, wenn sie zur Ehre ihres Landes nicht Räuber und Banditen sagen wollten. Hier hat mich wahrscheinlich nur meine armselige Figur gerettet. Ich wandelte gutes Mutes am Strande hin, las Muscheln und murmelte ein Liedchen von Anakreon, machte mit meinen Gedanken tausend Circumherumschweife und blieb bei der schönen Idee stehen, daß ich hier nun vermutlich in die geloischen Felder käme: da sah ich von weitem drei Reiter und zwar zu Pferde auf mich zu trottieren. Die Erscheinung eines Maulesels oder Esels ist mir in Sizilien immer lieber als eines Pferdes.“

Wie diese Geschichte weiterging, am besten bei Seume lesen. Nur so viel: es rettete ihn sein ärmliches Äußeres.

Gela war einmal recht wohlhabend, weil es in der Umgebung Erdöl gab und mehrere Raffinerien gegründet wurden. Vom Strand sah ich heute in der Ferne eine Bohrinsel.

Die Bundesstraße nach Gela. Entlang der Sizilianischen Küste stößt man immer wieder auf Bunker und befestigte Stellungen aus dem 2. Weltkrieg. Sie sollten eine Landung der Alliierten erschweren.

Tag 99 Von Falconara Castel nach Gela

08. Dezember 2022, 23 km bis km 2.626

Ein bemerkenswertes Art Deco Haus, leider ohen jede Angaben zu seiner Geschichte.

Wunderbar war der Weg am Strand. Ich hatte Glück, denn er ist nur bei Ebbe passierbar.

Auf der hohen Küste vor Gela fand ich ein imposantes verfallenes Gut.