Manchmal staune ich ja, dass Seume Orte erwähnt, aber so imposante Bauwerke mit keiner Silbe würdigt. Ähnlich ging es mir mit der kleinen Befestigung St. Andreas, die man passiert, wenn man – wie vermutlich Seume – die alte Via Appia läuft. Und auch Itri verfügt über eine imposante alte Burg, die hoch über dem Tal mit der Straße thront.
Der Weg aus Fondi ist ganz angenehm, denn man läuft durch dünn besiedelte Vororte mit vielen Plantagen und Gärten. Dann überquert man die Via Appia Nuova, die hier Fernverkehrsstraße mit erträglichem Verkehr ist, und kommt wieder auf Feldwege, die parallel zur Straße und zu einem kleinen einbetonierten Bach führen.
Seume schrieb, dass er sich insbesondere auf Sizilien die Tasche mit Apfelsinen vollgestopft hat, von denen er reichlich aß. Als ich heute früh an der Kaufhalle vorbeikam, hatte die noch zu. Ein Glück, denn Orangen und Mandarinen habe ich heute reichlich geerntet und gegessen von aufgegebenen Plantagen und verwilderten Bäumen.
Zu meiner Überraschung landete ich nach ungefähr fünf Kilometern auf der alten Via Appia. Die begann hinter einer historischen Brücke, die aus dem Mittelalter stammt, aber Ersatz für einen Bau aus der Römerzeit ist. Dann läuft man mehr als einen Kilometer auf der historischen Straße, die hier ein wenig authentischer wirkt als hinter Rom. Es gibt einige Erklärtafeln. Man trifft auf unterschiedliche Plasterungen, einmal aus der Entstehungszeit mit dem großen Basaltblöcken. Es gibt aber auch eine neuere Pflasterung, etwas feiner gearbeitet, die im 18. Jahrhundert bei einer Erneuerung der Straße aufgebracht wurde. Daneben gibt es eine Raststätte aus der Entstehungszeit, Meilensteine, historischen Stützmauern, eine weitere alte Brück und die erwähnte Befestigung St. Andreas, an deren Stelle ein römischer Tempel stand, der gegen Ende des 18. Jahrhunderts kurzerhand planiert und überbaut wurde.
Ich bin ja immer ganz fasziniert, wenn ich auf der Via Appia laufe. Sie war mir schon als Kind ein Begriff, als ich vom Spartakus-Aufstand las, und von seiner Niederschlagung. In deren Ergebnis wurden 6.000 gefangene Sklaven entlang der Via Appia zwischen Rom und Capua (dort war damals eine berühmte Cladiatorenschule) gekreuzigt. Das fand übrigens auf keiner der Tafeln, die ich bisher las, Erwähnung, und auch bei Seume nicht.
Mich fasziniert aber auch die gewaltige technische und organisatorische Leistung, die es erforderte, die Straße zu bauen und zu unterhalten. Das muss extrem teuer gewesen sein. Umso mehr ist der strategische Weitblick ihrer Planer zu bewundern. Welche unserer Autobahnen – geplant in den zwanziger Jahren oder in jüngerer Vergangenheit – wird wohl in 2.000 Jahren mit ihrem originalen Straßenbelag als Wanderweg dienen? Via Appia, du lässt mich an die Menschheit glauben, die es mit ähnlicher Anstrengung ja vielleicht auch schafft, den Klimawandel zu bewältigen.
Die alte Via Appia kreuzt die neue, und geht dann noch ein Stück als Feldweg weiter, wobei auch dort ab und zu die Pflasterung aus der Entstehungszeit zum Vorschein kommt. Auf diese Weise durchquert man einen kleinen Pass im Auruncigebirge, welches rechts und links der Strecke kahle Berge mit bis zu 500 m Höhe aufzuweisen hat.
Leider wird man auf den letzten vier Kilometern wieder Opfer einer fußgängerfeindlichen Fernstraße. Es gibt eine von Komoot vorgeschlagene teilweise Umgehung, die aber ca. 2 km Umweg mit sich bringt. Darauf hatte ich heute keine Lust. In Itri war ich schon kurz nach Mittag und habe mich noch mit Brot, gutem Käse, Nüssen und getrockneten Feigen eingedeckt.
Eine Gasse in Fondi am Morgen
Tag 85 Von Fondi nach Itri
Aufgelassene Felder hinter Fondi mit Blick auf das Auruncigebirge
Eine alte Brücke, Teil der Via Appia
Auf der Via Appia vor Itri. Der historische Abschnitt ist flankiert von einer neuen Fernstraße. Interessant sidn erhaltene Teile der historischen Infrastruktur, z.B. ein Rastplatz.