Mein Hotel grenzte nicht nur an die antike Ruinenstätte, sondern auch an einen britischen Soldatenfriedhof. Den besuchte ich heute Morgen als erstes. Er war unglaublich gut gepflegt, vor jedem Grabstein blühten Blumen, und der Rasen sah aus, als seien die Gärtner mit der Nagelschere unterwegs gewesen.
Die antiken Ruinen sind eingezäunt und mit Kameras bewacht. Als ich vorbeiging, heulte irgendeine Alarmanlage. Aber leider war um meine Zeit noch alles verschlossen. Ansonsten hätte ich eine echte Latrine besichtigen können. Auch die historische Brücke ist eingezäunt und nicht ohne Weiteres zugänglich.
Zäune in der Landschaft und mannshohe Mauern – das scheint eine italienische Spezialität zu sein. Schaut man sich um, könnte man zu der Auffassung gelangen, hier sei das Ursprungsland des Maschendrahts. Es werden nicht nur Gehöfte und Gärten eingezäunt, sondern sogar Gemüsefelder, schlichte Wiesen, Olivenhaine, Waldstücke usw. Gräbt man diese Zaunreste in 1.000 Jahren mal aus, wird man historische Katasterblätter rekonstruieren können. Das Ganze ist aber auch eine Plage für den Wanderer. Es ist zuweilen fatal, zwischen diesen Zäunen einen Weg zu wählen, wenn er vor einem Tor oder in einer Sackgasse endet. Mal querfeldein kann man vergessen: die Zäune zwingen zu den deutschesten rechten Winkeln, wenn man eine Route wählt. Und ist kein Zaun da, sind es die zahllosen Be- und Entwässerungsgräben.
Nach einigen Kilometern verließ ich die neue Via Appia und damit auch den Franziskus-Pilgerweg, dessen Wegmarkierungen seit Velletri immer mal an Laternenpfählen zu sehen sind.
Davor zogen noch einige moderne Ruinen an meinem Auge vorbei. Offenbar hat die Pleitewelle in der Hotellandschaft einige Lücke hinterlassen, was wohl nicht nur an Covid19 liegt, sondern auch daran, dass die alte Fernstraße durch die benachbarte Autobahn entwertet wurde.
Dann aber bog ich nach links ab auf kleine Straßen, die hier die Gehöfte verbinden. Dörfer in unserem Sinne traf ich kaum an. Hier zu trampen, wäre schwierig geworden, denn mein Weg machte zahlreiche Wendungen. Wer hier in welche Richtung abgebogen wäre und mir irgendwelche Ortsnamen oder Richtungen genannt hätte, ist ungewiss. Ohne detaillierte Ortskenntnis hätte ich nie entscheiden können, ob ein angebotener Lift Sinn macht oder nicht. Einen klaren geraden Weg nach Sessa gab es jedenfalls nicht.
Sessa liegt auf einer Anhöhe. Seume hat vermutlich außerhalb der Stadt in einem Wirtshaus an der Straße genächtigt, denn er schreibt:
„Da es noch hoher Tag war, spazierte ich hinauf nach Sessa , das, wie ich höre, viel alte Merkwürdigkeiten hat, und ehemals eine Hauptstadt der Volsker war. Der Weg von der Post hinunter und in die Stadt hinauf ist angenehm genug; und die Lage des Orts ist herrlich mit den schönsten Aussichten, rechts nach Kajeta und links über die Niedrigung weg nach dem Gaurus hinüber.“
Die Strecke heute hat Seume mit dem Maulesel bewältigt. Ich bin gewandert und habe dadurch Abschnitte des Weges kompensiert, die ich vor Terrazina mit dem Bus absolviert habe, obwohl Seume gelaufen ist.
Der Morgen nach dem Sturm. Blick aus meinem Hotelfenster.
Tag 88 Vom Garigliano bis Sessa Aurunca
Gibt es in Deutschland auch so viele Investruinen?
Ein entsorgter Kühlschrank am Feldweg vor der Farm.
Paar in einer Gasse in Senza. An der Tür ein Hakenkreuz. Und niemanden scheint es zu stören.