Das Wichtigste für mich: meine Füße sind wieder fit. Trotzdem waren 31 km genug, und ich werde die kommenden Tage umplanen: kürzere Etappen bis Wien, so vielleicht ein Tag länger. Auch hatte ich zu lange Strecken entlang der Fernverkehrsstraße vorgesehen, das macht in Tschechien keinen Sinn.

Heute begann der Tag schon herbstlich kühl. Es waren vielleicht 10°C, als ich entlang eines Baches zwischen Fischteichen hindurch die Höhen des Böhmischen Hochlandes emporstieg. Da waren auch das zweite Paar Schuhe schnell durchnässt, denn wie Wege standen teilweise unter Wasser, es gab große Pfützen und jede Menge nasses Gras, nasse Kräuter. Durch den Dauerregen der letzten Tage führen die Bäche viel Wasser und auf den Hochebenen hat sich die Nässe angestaut, dort, wo das Terrain flach ist.

Aber nach etwa zwei Stunden ging mein Weg über kleine asphaltierte Straßen. Gegen Mittag waren Hosen und Schuhe wieder einigermaßen trocken. Auf den Hochplateaus musste ich meine Regenjacke als Windschutz überziehen. Es pfiff kalt, und noch war von Sonne nur ab und zu was zu sehen.

Von den Hochebenen, die hier auf ungefähr 600 m liegen, hat man eine gute Fernsicht, teilweise rundum. Das Land ist wellig, von Baumreihen durchzogen, in den Senken sind oft Teiche angelegt, deren Wasser sich jetzt mit all dem Schlamm von den Feldern braun gefärbt hat.

Die Dörfer in der Gegend künden von Wohlstand. Es gibt Kindergärten, Spielplätze, Fußball- und Tennisplätze. In einem Ort sah ich sogar ein imposantes neu errichtetes Kulturhaus mit Bibliothek. Der in fast jedem Dorf anzutreffende, frei zugängliche Tennisplatz hat wohl etwas mit den Erfolgen von Martina Navratilova zu tun. Oder umgekehrt.

Überall auf den Dörfern wird neu gebaut. Es entstehen teils imposante Anwesen mit moderner Architektur und dem beinah obligatorischen Pool im Garten. Offenbar fliehen die Vermögenden aus den Städten. Das kann ich nachvollziehen, denn in diesen hat man die Wahl zwischen wenigen Altbauten und viel Platte und vor allem viel Verkehr. Es sind aber auch öffentliche Flächen super gepflegt, als wäre das ganze Dorf ein Golfplatz. Möglicherweise pendeln von hier viele Menschen zum Jobben nach Österreich.



Heute sprach mich ein Mann um die dreißig an. Als er einräumen musste, dass er weder Englisch noch Deutsch versteht, versuchte er es auf Italienisch. Und siehe da: mein vernachlässigter Sprachkurs per App trägt Früchte! Wir konnten uns einigermaßen verständigen. Aber ansonsten alles wie immer: wenig Menschen unterwegs, so gut wie kein Interesse an einer Konversation mit mir. Und wieder gab es nirgendwo auch nur einen lumpigen Imbiss für die Trucker und Handwerker, für mich.

Vor Jihlava führt der Weg nochmal ca. 8 km durch den hoch gelegenen Wald des Böhmischen Mittelgebirges. Der ist teilweise recht dicht mit Buchen bewachsen, so dass man schon gegen 15 h ein etwas beklemmendes Dämmerlicht hat. Andererseits gibt es auch große Flächen mit Waldschäden und den entsprechenden Lichtungen und Schonungen. Viele Pilzsammler habe ich heute gesehen, perfektes Wetter dafür. Und ich muss mein Urteil über die tschechischen Wanderwege revidieren. Hier um Jihlava war alles gut ausgeschildert und gut begehbar.

Erreicht man den Stadtrand von Jihlava, trifft man zunächst auf ein riesiges Areal mit Shoppingmalls. Da muss man sich ein wenig vorbeiquälen und den Autolärm der Ausfallstraße ertragen. Dann geht es vorbei an solitären Bausünden der neunziger Jahre. Monströse Büroklopper, die irgendwie wichtig wollen, aber nur abgebrochen brutalistisch können. Untergekommen bin ich im recht preiswerten Grand Hotel Garni in der Altstadt. Zum Markt, dem zweitgrößten innerstädtischen Platz Tschechiens, sind es nur wenige Minuten zu Fuß. Wirklich sensationell ist jedoch der kleine Teeladen gegenüber dem Eingang des Hotels. Wer Tee mag, soll sich bitte Zeit nehmen für einen Besuch und sich das Getränk auf perfekte Art servieren lassen. Ansonsten bewegt sich die Gastronomie im Rahmen des Üblichen: viel Fleisch und leider auch viel Salz. Und viele Restaurants schließen bereits um 20 h.

Der Portier im Hotel empfahl mir sein Lieblingsrestaurant für das Abendessen. „Was haben die für eine Küche?“ frag ich. „Egal, aber es gibt sieben verschiedene Biere.“




Die ganze Region war mal sehr katholisch. Entlang der alten Straßen stehen zahllose Kruzifixe.

Tag 16 Von Havlickuv Brod nach Jihlava

16.September 2022, 31 km bis km 428,8

Eine typische kleine Landstraße