Die ersten drei Kilometer waren auch tatsächlich reichlich verregnet. Aber ich hatte gleich im Hotel meine komplette Regenmontur angelegt. Das kleine Regeschirmchen, das verhindern soll, dass mir zwischen Rucksack und Rücken das Wasser runterläuft, schnappte im Wind abwechseln von konvex nach konkav. Der Wind war mit 40 km/h angekündigt. Das bekam ich vor allem auf den Höhenwegen deutlich zu spüren. Und als später der Regen erfreulicherweise aufhörte, war doch der Windschutz des Regenzeugs mindestens genauso nützlich wie der Schutz vor der Nässe.
Schließlich war der Tag ein recht glücklicher, denn ich war gut ausgeruht und die Wolken lieferten bemerkenswerte Spektakel an einem sich von Minute zu Minute verändernden Himmel. Windstärke 6 auf der Beaufort Skala oder „Frische Brise“ war auf den Höhen deutlich zu spüren. Aber das fand ich faszinierend, zumal ich passend angezogen war.
Auf den Höhenzügen hat der Wald mächtig gelitten. Es gibt viele kahle Stellen, die der Aufforstung harren. Manchmal sieht das vorn weitem aus, als hätte jemand dem Berg eine Iro geschnitten, wenn ein kleines Baumbüschel stehengeblieben ist, während ringsum alles abrasiert ist durch Wind oder Borkenkäfer oder Schwefeldioxid.
In Bitnice habe ich ordentlich zu Mittag gegessen im Ratskeller. Der Ort hat ein Schloss auf einer Anhöhe, vor allem aber zwei Brücken über einen größeren Bach, die mit jeweils acht barocken Skulpturen geschmückt sind.
Die Landschaft war wieder sehr hügelig mit schöner Fernsicht. Die Wege meiner Route waren fast durchgehend gut, so dass mir die Nässe des Bodens wenig Kummer bereitete. Überhaupt hatte ich Glück, fette schwarze Regenwolken immer nur aus der Ferne zu sehen. Ich lief entgegen den Wetterprognosen sogar oft in schönstem Sonnenschein und total klarer Luft.
Am Ende der Tour ging es wieder mal durch eine schöne Flussaue, die mich in mein Quartier in eine alte Mühle leitete. Dort kam ich an fast ohne jede Lebensmittelvorräte. Aber ich hatte gleich zweimal Glück: auf der Etage meines Zimmers werkelten zwei jüngere Männer in der Küche, wie sich herausstellte zwei Ukrainer auf Montage. Die luden mich gleich mal zu Wodka und einigen kleinen Kalorienbömbchen ein. Dann kam etwas später auch noch die Chefin des Hauses herauf und überschüttete mich mit Vorräten, die sie der privaten Tiefkühltruhe entnommen hatte. Nun ist sogar mein Frühstück gesichert.
Wir haben noch eine ganze Weile über die Ukraine und das Arbeiten in Deutschland gesprochen, Familienbilder gezeigt, Putin verflucht, die internationale Freundschaft und Europa gepriesen.
Auf den Höhenzügen des Böhmischen Mittelgbirges hat der Klimawandel sichtlich Spuren hinterlassen.
Tag 18 Von Jihlava nach Sokoli
18.September 2022, 33 km bis km 461,8
Blick von den Höhenzügens des Böhmisc hen Mittelgebirges ins Tiefland.
Überall frisch gepflügte, duftende Felder. Und endlich lässt der Regen nach.