Heute war ich echt am Ende. Am Ziel meines Tages, Moravske Budejovice, war eine auf booking.com angezeigte Pension gar nicht mehr existent, die andere belegt. Sogar auf dem Rathaus habe ich nach Quartieren gefragt. Und ich wollte eigentlich mal einen kurzen Tag machen mit 25 km und gegen 16 h Feierabend. Also habe ich nochmals gut 5 km in Angriff genommen, um bis nach Nove Syrovice zu schlurfen. Und da, an der dusseligste Stelle zum Halten, gleich bei einer Autobahnauffahrt, stoppt doch ein T5 eines Handwerkers vor meiner Nase, macht das Fenster runter. Ich dachte erst, das ist mal wieder ein Auswärtiger, der ausgerechnet mich nach dem Weg fragen will. Nein, der kurz bezopfte Mensch will mich doch genau bis zum neuen Endpunkt meiner Tagesreise mitnehmen. Ich war erleichtert und gerührt. Er wolle zurückgeben, was ihm früher als Tramper an Gutem widerfahren ist.
Also landete ich doch gegen 17 h warm und trocken vor der Tür der Pension, die nach einem Herrn Graselt benannt ist. Das ist ein wenig kurios, weil ich hinter diesem Namen erst den Eigentümer vermutete. Aber nein, Johann Georg Graselt war ein gefürchteter Räuberhauptmann, der just im Dorfe hier geboren wurde und dann etwa zu Seumes Lebzeiten über Jahrzehnte sein Unwesen trieb. Er wurde im Nachhinein - vor allem für touristische Zwecke – zu einer Art Robin Hood stilisiert, der er wohl nicht war.
Ansonsten war es heute ungefähr so wie gestern: kalt, regnerisch, windig und schöne Wolken. Nur die Waldwege habe ich heute gemieden. Bei jedem Schritt nach vorn, glitscht man zehn Zentimeter zurück.
Eigentlich wäre es noch zwei Tag bis Hollabrunn von hier, nach meinem Plan. Aber den werfe ich über den Haufen und teile die Strecke auf drei Tage auf.
Ich bin kein Freund von Ruinenporno. Aber oft geht von solchen Gebäuden ein merkwürdiger Zauber aus. Und sie könnten aus Seumes Zeit sein.
Tag 19 Von Sokoli nach Nové Syrovice
19. September 2002, 31 km bis zu km 492, davon 5 getrampt
Zähneknirschend laufe ich zum Stadtrand von Moravske Budejovie.