Obwohl ich meinen Fuß am Abend zuvor noch erfolgreich „operiert“ hatte, bin ich heute Morgen dann erst mal im Schleichgang los. Nach zwei Kilometern war dann aber alles ok. Nur die Erkältung war ich nicht wirklich los.

Da ich mich mit meiner Streckenplanung aber sowieso verzockt hatte, und bis zum Tagesziel heute 47 km und einige Höhenrücken zu überqueren wären, beschloss ich, nur bis Frohnleiten zu gehen, und dann die S-Bahn zu nehmen. Das waren dann 16 km zu laufen, und der Blick aus dem Zugfenster zeigte mir, dass ich so viel nicht verpasst hatte. In mein Hotel in Graz, gleich neben dem Kunsthaus, durfte ich schon um 14 h einchecken.

Aber es gab noch eine schöne Überraschung: wenn ich mal von meinen tschechischen Freunden absehe, ist es mir zum ersten Mal passiert, dass mich fremde Menschen zu sich ins Haus baten. Am Ortseingang von Wannersdorf war ein nettes Rentnerpärchen damit beschäftigt, den Bewuchs der Trockenmauer am Grundstück zu pflegen. Nach einem kurzen freundlichen Gespräch boten sie mir was zu Trinken an. Wir gingen ins Haus und dort gab es dann nicht nur einen schwarzen Tee für mich, sondern auch einen großen Teller mit Broten, Paprika, eine Stück Apfelstrudel, ja und vor allem ein langes Gespräch über Renten und Krisenhilfen in unseren beiden Ländern, die Kinder, die Veränderungen der Arbeitswelt und die Leidenschaft des Hausherren für ökologische Haustechnik. Regenwassertanks, Photovoltaik, Solarkollektoren und Holzheizung – hatte er alles. Zum Glück war heute ein entspanntes Programm, so dass ich die Zeit mit den beiden wirklich genießen konnte.




Also, es gibt Hoffnung! Denn vor einigen Tagen, südlich von Wien, habe ich das krasse Gegenteil erlebt. Eine Frau auf einem Dorf, die gerade Putzzeug aus dem Kofferraum ihres Autos entlud, fragte ich, ob sie mir meine Wasserflasche auffüllen könne. Nein, das ginge nicht. Ich: „Sie müssen mich nicht auf ihr Grundstück lassen! Ich bleibe hier stehen, Sie nehmen meine Flaschen, halten sie kurz unter den Wasserhahn, bringen sie wieder raus.“ „Nein, das geht nicht.“ Meinetwegen können Sie auch das Hoftor verschließen.!“ „Nein.“ Ich: „Warum denn nicht?“ Sie: „Ich kenne Sie ja gar nicht.“ Darauf ich: „Kein Problem, ich bin Eric Pawlitzky aus Berlin.“ „Nein, das geht nicht.“ Ich gab auf. Aber vielleicht war ja grade ihr Brunnen vergiftet oder es gab Salmo- oder Legionellen im Rohr, oder sie hatte die Rechnung bei den Wasserwerken monatelang nicht bezahlt, keine Ahnung.

So bin ich denn heute auf dem superschicken Bahnhof Frohnleiten gelandet, fuhr eine Viertelstunde in einer niegelnagelneuen S-Bahn, um dann auf dem Bahnhof Graz auszusteigen, unter dessen Vorplatz eine unterirdische Straßenbahnhaltestelle ist.

Auf dem Weg zum Hotel wunderte ich mich, dass so viele Läden offen sind, habe noch einen Beutel Orangen gekauft und mich deswegen gefreut. Erst beim Einchecken fiel mir dann auf, dass heute schon Montag ist. Ich bin schon so abgedreht, dass ich das Gefühl für die Wochentage komplett verloren habe.

Jetzt sitze ich im (ungeheizten) Hotelzimmer, unter der Bettdecke, eingemummelt, geh heute nicht mehr raus, und mache mal einen auf Radikalheilung. Immerhin ist das Hüsteln schon weg, Nase läuft noch ein klein wenig. Aber nachher werde ich noch ein heißes Bad nehmen und dann schlafen.




Wanderweg entlang der Muhr zwischen Bruck und Frohnleiten.

Tag 33 Von Mautstatt nach Graz

03. Oktober.2022, 16 km gewandert, 30 km mit der Bahn bis km 852

Die Muhr bei Frohnleiten