Seume:

„Neapel sollte, deucht mir, eine bessere Kathedrale haben. Das vorzüglichste darin sind einige merkwürdige Grabsteine und die Kapelle des Heiligen. Dieses ist aber nicht der Ort, wo er gewöhnlich schwitzen muß; das geschieht vor der Stadt in dem Hospital bei den Katakomben. In den Katakomben kroch ich über eine Stunde herum, und beschaute das unterirdische Wesen, und hörte die Gelehrsamkeit des Cicerone, der, wie ich vermute, Glöckner des Hospitals war. Über den Grüften ist ein Teil des Gartens von Capo di monte. Der Führer erzählte mir eine Menge Wunder, welche die Heiligen Januarius und Severus hier ganz gewiß getan haben, und ich war unterdessen mit meinen Konjekturen bei der Entstehung dieser Grüfte. Hier und da lagen in den Einschnitten der Zellen noch Skelette, und zuweilen ganze große Haufen von Knochen, wie man sagte, von der Zeit der großen Pest.“

In den Katakomben war ich heute auch, allerdings gewiss in einem anderen Bereich als Seume. Man hat Zutritt, wenn man eine Führung bucht und dann von einem unterirdischen Parkhaus einen Stollen betritt. Die Katakomben hier dienten der Baustoffgewinnung im Mittelalter, man brach unterirdisch Tuff. Sie dienten dem Militär als Verbindungsweg zwischen Teilen der Stadt in der Zeit der Bourbonen, sie dienten als Trinkwasserspeicher, als Schutz vor Fliegerbomben (erst vor amerikanischen, dann vor deutschen) und bis einige Jahre nach dem Krieg als unterirdische Wohnungen für die Ärmsten. Schließlich wurden in ihnen konfiszierte Fahrzeuge gelagert, die von Polizei und Finanzamt beschlagnahmt wurden, und zuletzt allerlei Müll. Engagierte Bürger haben dann Einiges für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Es gibt wohl unter Neapel mehr als 250 bekannte Hohlräume.

Das Blutwunder in der Kathedrale verzückt die Menschen bis heute, wie überhaupt ein großer Wunderglaube das Land beherrscht. Um aber in die entscheidende Seitenkapelle mit der Reliquie vorzudringen, hätten wir drei Euro zahlen sollen. So wundergläubig waren wir dann doch nicht. Dieses spezielle Wunder besteht übrigens aus einem Glas mit Blut eines Heiligen, welches sich an einem bestimmten Tag im November verflüssigen muss, damit das Folgejahr gut wird und nicht z.B. der Vesuv ausbricht, oder die Cholera, oder der Krieg.

Mitten im Gewühl der Altstadt trafen wir auf drei laut singende und spielende Musiker, deren einer sich auch mal eine Frau zum Tanzen schnappte. Gute Erinnerungen an meine Zeit als Folk-Musiker.

Einen Besuch statteten wir dem Museum für zeitgenössische Kunst, dem MADRE ab, wo u.a. Arbeiten von Fina Miralles und Bruna Esposito zu sehen waren.

Ansonsten tobt das Jugendleben bis spät in die Nacht in den zahllosen Bars und Kneipen. Vor allem unter unserem Fenster am Bellini-Platz.

Die letzte Nacht waren aber auch wir nicht zu Hause, sondern in der Oper, einem imposanten Bau aus den 18. Jahrhundert. Es gab Verdis „Don Carlos“. Ein leider etwas langatmiges Stück in einer nicht sehr aufregenden Inszenierung, musikalisch aber toll dargeboten.

Blick von unserer Dachterrasse

Tage 93 und 94 Ruhetage in Neapel

02. und 03. Dezember 2022

Eine Folkband verführt zu spontanem Tanz in Straßen voller Weihnachtsdeko.

In den Katakomben

Blick auf die sonntägliche Bucht von Neapel