Mein AirBnB war gleich beim Gare de l´Est um die Ecke. Christian bewohnt eine winzige Butze unter dem Dach, etwa so groß wie ein deutsches Kinderzimmer. Dennoch vermietet er eine Art Hochbett, während er darunter auf dem Sofa schläft. Er ist ein absolut netter und höflicher Kerl, der mir heute früh sogar das Gepäck die winzige Wendeltreppe mit nach unten trug. Christian ist Aufzugsmonteur und kommt aus Baja Mare (Rumänien). Diese Stadt habe ich tatsächlich schon mal besucht, und wir musste beide lachen ob dieses Zufalls. Christian spricht fließend Englisch, reist selbst sehr viel, war schon auf dem Kilimandscharo und lernt gerade Deutsch. Leider musste er gestern zum Training, so dass mein Einladung zu einem gemeinsamen Abendessen vergeblich war. Ich bin noch eine Runde spazieren gegangen, aß in einem vietnamesischen Restaurant noch eine Suppe, und schlief dann relativ zeitig.
Und auch Christian schlief noch fast, als ich mich heute früh startklar machte. Zunächst fuhr ich zum Louvre, denn dort in der Nähe hatte Seume sein Quartier in Paris, muss also von da losgelaufen sein auf seinem Weg nach Leipzig. Überall stehen Leute vom Roten Kreuz in der Stadt, sammeln Spenden und verkaufen kleine Blumensträuße. Ein junger Mann an einem solchen Stand sprach mich an und wir redeten kurz über mein Projekt. Ansonsten war die Stadt so gut wie menschenleer. Vor allem der Eingang zum Louvre machte einen merkwürdigen Eindruck. Auch war insgesamt zu meiner Freude nur wenig Verkehr. Allerdings: Paris hat eine radikale Wende hin zu Fahrradfreundlichkeit vollzogen. Das ist unglaublich, wenn man den Vergleich mit Berlin wagt. Es gibt mit Barrieren und Pollern abgeteilte Fahrradspuren und zwar gefühlt fast auf jeder Straße. Einbahnstraßen wurden halbiert und großzügige Fußgängerzonen eingerichtet. Die Stadt – so war jedenfalls mein Eindruck gestern Abend – hat eine angenehme Entschleunigung erfahren. Es macht noch mehr Freude als vorher, vor einem Restaurant draußen zu sitzen. Glückwunsch, Paris!
Diese neue Errungenschaft konnte ich auch mit meinem Roller genießen. Dennoch hielt ich erst mal an einem Café und nahm ein gutes Frühstück. Dass ich wieder in Frankreich bin, stellte ich jedoch auch beim ersten Schluck Tee fest. Da gab es noch keine wirkliche Verbesserung. Meine Tischnachbarin, eine Frau um die 50 sprach mich an, als von der Straße um die Ecke ein lauter Streit von Prostituierten zu vernehmen war. Die immer noch in „Berufsbekleidung“ agierenden Damen schrien sich fortwährend an, offenbar weil es Revierkämpfe gab. Das klärte sich auf für mich, als meine Tischnachbarin ob meiner ratlosen Reaktionen ins Englische wechselte.
Ich fuhr los und erreichte nach wenigen Kilometern den Canal St. Martin. Ihm folgte ich bis zu einem großen Becken mit alten Hafenanlagen, wo er in den Canal de `l Ourcq – Pantin mündete. Am Ufer dieses Kanals mit wunderbaren Radwegen fuhr ich nun fast 30 km entlang. Der Radweg ist perfekt asphaltiert, es herrschte rege Betriebsamkeit mit Joggern, Familien und natürlich Leuten auf Fahrrädern und Elektrorollern aller Art.
Als ich auf einer Bank rastete, musste ich mit ansehen, wie ein älterer Herr auf seinem Rennrad in diesem Trubel ins Straucheln geriet, voll die Kontrolle verlor und mitsamt dem Rad in den Kanal klatschte. Passanten zogen ihn (unverletzt) heraus, aber sein Rad war weg. Er fischte nach ihm vergeblich mit einem längeren Ast, um dann doch noch mal ins (nicht sehr saubere) Wasser zu steigen.
Zwei Jogger, Hugo und Francois, hielten mich an, weil sie ein Foto brauchten. Das machte ich prompt, und auch mit ihnen gab es schnell eine Gespräch über meinen Roller, die Tour und Gründe nach Leipzig zu reisen (Fußball EM). Hugo machte noch eine Proberunde mit meinem Rolle rund war begeistert.
Etwa auf halber Strecke bog ich kurz nach Villeparisis ab, denn dort gab es einen Markt (leider kein Café für eine Pause), der sich bis zur Kanalbrücke hinzog. Ich kaufte Obst und fuhr weiter.
Zu meiner großen Freude führte der Weg aus Paris nicht entlang nerviger Straßen, sondern eben über schöne Radwege parallel zum Kanal, dann ein wenig über Felder mit wenig befahrenen Straßen, zum Schluss noch ein Stück entlang der Marne.
Jetzt bin ich auf einem kleinen Dorf bei sehr freundlichen Gastgebern, habe ein komfortables Zimmer.
Insgesamt war ich heute recht schnell und bin mit etwas mehr als 12 km/h gefahren. Ich habe längere Pausen gemacht, weil ich sonst viel zu zeitig am Quartier angekommen wäre. Da war ich dann 14.45 h.
Meine Verfassung ist ganz gut. Erst auf den letzten 10 km fühlte ich dann doch die Anstrengung und bin öfter mal gelaufen, eigentlich bei allen kleinen Steigungen (wobei es heute recht flach zuging). Die Schultern sind etwas verspannt vom Rucksack. Kein Stress mit Knieen, Händen oder Oberschenkeln. Der linke Fuß zickt erwartungsgemäß etwas herum, aber morgen früh wird das vorbei sein.
Leider ist das Wetter nicht sehr fotografenfreundlich. Es ist etwas diesig, keine spannenden Wolken zu sehen, und der Mai macht halt alles langweilig grün. Aber kein Regen, kein Wind.
Tag 1 Von Paris nach Vignely
Seume hat sich im Luovre die Laokon-Gruppe angesehen. Hier war mein offizieller Start.
Wunderbar fahrradfreudlich. So ist Paris heute.
Paris ist voller Campingplätze. Warum gibt es das hier an jedem kleinen Park? Unter jeder Brücke? Was macht Berlin anders?
Der Radweg am Kanal
Eines der wenigen Schiffe, die ich auf dem Kanal außerhalb der Stadt sah. Und überall enstehen neue Wohngebiete direkt am Wasser.
Auf dem Markt von Villeparisi