Wanderer im Nebelmeer – so hätte man den Tag heute nennen können. Aber bald wäre es zu viel mit Meer und Wasser geworden. Nach wenigen Kilometern über noch nasse Feldwege hatte ich einen kleinen Fluss zu überqueren, die Pivka. Vor mir schaukelte eine etwas desolate Hängebrücke, belegt mit glitschigen Stahlplatten. Ein Alptraum. Im Prinzip ohne Geländer, denn nur eines der vier Stahlseile, die die Grundlage der Konstruktion bildeten, hatte noch etwas Nähe zum dem schaukelnden Steg. Alle zwei Meter mal ein vertikales Verbindungsteil zu den Platten, über die man gehen musste. Ich fluchte. Aber die Alternative wäre ein gigantischer Umweg gewesen. Also nahm ich all meinen Mut zusammen und tapste vorsichtig los, immer bemüht, die Konstruktion nicht zum Schaukeln zu bringen. Und hoffend, dass mir an der gegenüberliegenden Seite der „Aufstieg“ gelingt und ich dort festen Halt finde. Umkehren und zurückgehen wäre auf dem Ding unmöglich gewesen. Aber es klappte.

Einige Kilometer weiter musste der Fluss mich erneut ärgern: diesmal war eine Furt zu überwinden, in die nette Leute einige Steine gelegt hatten. Ich stakste mit meinem Wanderstock zum anderen Ufer von Stein zu Stein und hatte auch diesmal Glück. Nur die rechte Schuhspitze hatte mal etwas Wasserkontakt beim Abstoßen im Sprung zum nächsten Stein.

Ansonsten war der Tag mit Obst von wilden Apfelbäumen reich gesegnet. Mir begegneten zwei Radfahrer: ein Berliner auf der Reise von München nach Zagreb. Wir wollen uns vielleicht im Januar mal treffen zum Auswerten der Reiseberichte. Den anderen traf ich in einer Bikerkneipe. Er fuhr von Kroatien mit dem Rennrad nach Hause nach Ljubljana.

Vorbei ging es an einem imposanten Berg, dem Plesa, 1.262 m, der einen Ausläufer der julischen Alpen bildet und bei Razdrto (Prewald) einen Pass nach Süden begrenzt. Dort hat sich Seume auf jeden Fall aufgehalten:

„Die Bergspitze von Prewald sah ich bis nach Triest, und sie schien mir immer so nahe, als ob man eine Falkonetkugel hätte hinüberschießen können. Von Schottwien bis Prewald hatte ich abwechselnd sehr viel Schnee; bei Sessana hörte er allmählich auf, und hier liegt er nur noch in einigen finstern Gängen und Schluchten. In Prewald zitterte ich noch vor Frost am Ofen, und hier diesseits des Berges am Meere schwitzt man schon.“

So schreibt Seume Ende Januar 1802 aus Triest.


Den Plesa (rechts) werde ich auch morgen immer mal wieder aus der Ferne sehen.

Tag 46 Von Potojna (Adelsberg) nach Divaca

16.Oktober.2022, 30 km bis km 1.160

Ruine eines befestigten Hauses in Senocez

Auf einer alten Handelsstraße hinter Senocez