Man sollte die Via Emiglia gewiss mal ein paar Kilometer laufen, wenn man auf Seumes Spuren ist. Einfach um den Kontrast zur Vergangenheit zu erleben. Ich habe vorerst genug und heute, nach ca. 125 km auf dieser Straße, ist endlich Schluss.

Es hatte die Nacht geregnet, und heute Morgen war die Luft herrlich klar und frisch, aber keineswegs kalt. Es gab schöne Wolkenbilder und etwas mehr Fernsicht. Bis Rimini sind es von meinem letzten Quartier ca. 40 km, wenn man nicht den direktesten Weg nimmt. Das ewige Laufen am Rande der Via Emiglia wollte ich heute mal abkürzen.

Die erste Chance, das zu tun ergab sich an der Bushaltestelle, nicht weit weg von meinem Quartier. Da hatte ich nur 15 Minuten Wartezeit und war schon gegen 9.00 h in der Innenstadt von Cesena. Zu Cesena schreibt Seume:

Cesena ist übrigens eine alte, sehr verfallene Stadt, und der aufgepflanzte Freiheitsbaum machte unter den halbverschütteten Häusern des fast leeren Marktes eine traurige Figur.“

Tatsächlich bin ich entlang der alten Stadtmauer gelaufen, und habe vor allem ein Tor fotografiert, durch welches Seume mit hoher Wahrscheinlichkeit gegangen ist.

Von dort bin ich tapfer bis Budnio gewandert, immerhin ein Stück auf Fußwegen, dann stand ich an der nächsten Bushaltestelle. Die gute halbe Stunde Wartezeit wollte ich nicht vertrödeln und hielt den Daumen raus. Ich hatte Glück und wurde nach gut zehn Minuten bis kurz vor die Brücke über den Rubicon in Savignano mitgenommen. Und wer hielt an? Der bescheidene Fahrer eines Dacia. Der sprach kein bisschen Englisch oder Deutsch, aber ich habe inzwischen eine ganze Reihe von Erklärsätzen zu meiner Reise im Google-Translater gespeichert. Die muss ich einfach nur laut abspielen. Ich hatte Mühe, meinen Fahrer die zwei Euro Trinkgeld zu vermachen, die ich in der Hosentasche bereithielt. Er nahm sie schließlich mit meiner Bitte, sie für die Kinder zu investieren, doch an.

Tatsächlich ging ich dann über die historische Brücke über den berühmten Fluss. Aber was hatte es damit auf sich: (nachfolgend zitiere ich einen Artikel aus der WELT-Online vom 10.01.2017)

„Der römische Feldherr Gaius Iulius Caesar überschreitet am 10. Januar 49 v. Chr. mit seinen Truppen den Grenzfluss Rubikon (Rubicone) in Oberitalien, der seine Provinz Gallia Cisalpina vom zentralen römischen Staatsgebiet trennt.

Dadurch eröffnet er den Machtkampf mit dem Senat, der mit seinem ehemaligen Partner Pompeius ein Bündnis eingegangen ist.

Caesar soll diesen folgenreichen Schritt mit den Worten "Alea iacta est“ (Der Würfel ist gefallen) kommentiert haben. Tatsächlich sprach er, wie alle gebildeten Römer der Oberschicht, Griechisch und sagte: "Aneriftho ho kybos“ („Der Würfel soll geworfen sein“), nach seinem Lieblingsdichter Menander.

Mit dem Einmarsch von zunächst nur fünf Kohorten – das Gros einer zehn Legionen steht noch in Gallien – ignoriert Caesar den Senatsbeschluss, als Privatmann und nicht als Prokonsul mit Befehlsgewalt seine erneute Kandidatur für das Konsulat in Rom anzumelden. Damit macht er sich zum Staatsfeind. Ein neuer Bürgerkrieg beginnt.“

Seume muss hier wohl auch den Fluss überschritten haben, aber das Symbolhafte des Ortes bezieht er nicht auf sich selbst. Er schreibt:

Vor Savignano ging ich, nicht wie Cäsar, über den Rubikon. Wahrscheinlich hat der kahlköpfige Weltbeherrscher hier oder etwas weiter unten am Meere den ersten entscheidenden Schritt getan, die sonderbare Freiheit seines Vaterlandes zu zertrümmern, als er als Despot des neu eroberten Galliens zurückkehrte. Ein eigener Charakter, der Julius Cäsar. Es ist von gewissen Leuten schwer zu bestimmen, ob sie mehr Liebe oder Haß verdienen. Ich erinnere mich, daß es mir in einem solchen moralischen Kampfe einmal entfuhr, Cäsar sei der liebenswürdigste Schurke, den die Geschichte aufstelle.“

Tatsächlich führt die alte Brücke direkt in die Innenstadt von Savignone, die recht schön ist. Und folgt man dem Weg weiter und verlässt die Stadt wieder, ist man schon wieder auf der Via Emiglia. Das jedoch tat ich nicht, sondern schlug mich rechts auf die Felder und kleine Nebenstraßen. Den lärmfreien Umweg nahm ich gern in Kauf.

Ein kurzes Stück war noch auf der Via Emiglia zu gehen, vorbei an der imposanten Altstadt von Santarcangelo di Romagna, die auf einem Hügel thront. Dann lief ich entlang des Ufers des fast trockengefallenen Flussbetts der Marecchia, eigentlich bis in die Altstadt von Rimini. Auch dort wieder eine imposante alte Brücke, deren Vorgängerin schon vor 2.000 Jahren aus Stein gebaut wurde.

In Rimini war ich schon gegen 17.00h. Also erst mal Tee und Sandwich, ja, und auch ein kleiner Muffin musste sein. Da ich hier aber morgen Ruhetag habe in einem kleinen Apartment, bin ich noch in die nahegelegene Markthalle gegangen und habe schönen Käse, Brot und Obst gekauft. Es ist unglaublich, was an den Frühstücksbuffets immer für ein billiger Scheibenkäse herumliegt. Jetzt ein schönes Stück festen Käse aus Tirol und halbwegs dunkles Brot.


Die Brücke über den Rubikon mit einer Statue Cäsars

Tag 65 Von Copacolle nach Rimini

04. November 2022, 40 km, davon 8 mit Bus und getrampt bis km 1.737

Beim Anblick solcher Felder kann die Fantasie auch mal durchdrehen.

Das ausgetrocknete Flussbett des Marechia kurz vor Rimini

Rimini im Glanz der Abendsonne. Und eine steinerne Brücke aus Seumes Zeit.