„Von Conegliano bis Treviso hatte ich mir auf einem eingefallenen Steinchen die Ferse blutig getreten, und gab daher zum ersten Mal den Zudringlichkeiten eines Vetturino nach, der mich für sechs Liren nach Mestre bringen wollte.“
Ja, auch mein linker Fuß ist noch nicht ganz fit, und so nahm ich ab Treviso die Eisenbahn, die mich gleich auf die Lagune brachte.
Alexander wiederum stieg in Treviso in den Zug nach München. Zuvor hatten wir noch mal ordentlich mit Tiramisu gesündigt. Tja, es war eine schöne Abwechslung, mal nicht den ganzen Tag allein zu sein, nicht überall das Gepäck im Auge halten zu müssen. Und auch die Tatsache, dass ein Zweibettzimmer pro Nase gefühlt immer die Hälfte kostet, kam mir entgegen. Wir haben viel erzählt, auch mal geschwiegen, es lief sich leichter.
Gleichwohl habe ich keine Angst vorm Alleinsein. Schon gar nicht unter den freundlichen Italienern.
Was schrieb Seume noch:
„… ich fand eine Gesellschaft von Venezianern, die noch diesen Abend übersetzen wollte und schloß mich an. Wir ruderten den Kanal hinunter. Die Andern waren alle Einheimische, und hatten weiter nichts nötig als dieses zu sagen; aber ich Fremdling mußte einige Zeit auf der Wache warten, bis der Offiziant meinen Paß gehörig registriert hatte. Er behielt ihn, und gab mir einen Passierzettel, nach Östreichischer Sitte, mit der Weisung, mich damit in Venedig auf der Polizei zu melden. Das forderte etwas Zeit, da der Herr etwas Myops und kein Tachygraph war; und meine Gesellschafter waren über den Aufenthalt etwas übellaunig. Doch das gab sich bald. Man fragte mich, als ich zurückkam, mit vieler Artigkeit und Teilnahme wer ich sei? wohin ich wolle? und dergleichen; und wunderte sich höchlich als man hörte, daß ich zu Fuße allein einen Spaziergang von Leipzig nach Syrakus machen wollte. Der Abend war schön, und ehe wir es uns versahen, kamen wir am Rialto an, wovon ich aber jetzt natürlich weiter nichts als die magische Erscheinung sah. Ein junger Mann von Conegliano, mit dem ich während der ganzen Überfahrt viel geplaudert, hatte, begleitete mich durch eine große Menge enge Gäßchen in den Gasthof The Queen of England; und da hier alles besetzt war, zum goldnen Stern, nicht weit vom Markusplatze, wo ich für billige Bezahlung ziemlich gutes Quartier und artige Bewirtung fand.“
Und weiter:
„Das Traurigste ist in Venedig die Armut und Bettelei. Man kann nicht zehn Schritte gehen, ohne in den schneidendsten Ausdrücken um Mitleid angefleht zu werden; und der Anblick des Elends unterstützt das Notgeschrei des Jammers.“
Das ist wie der Ärger mit den Pässen zum Glück Geschichte. Aber auch heute sind die Niedrigsten nicht verschwunden: Hütchenspieler und Migranten, die kleine Armbändchen und Gürtel verkaufen wollen, nur als ein Beispiel von gewiss vielen.
Ich kaufte Sekundenkleber in einem Laden für Künstlerbedarf, denn der Schuster in Udine hat gepfuscht oder mir durch sein Tun zu viel versprochen: die frischen Absätze meiner Schuhe machen schon leicht das Maul auf. Sekundenkleber half tatsächlich.
Sehr früh am Morgen ist Venedig immer noch am angenehmsten.
Tag 56 Von Spresiano über Treviso nach Venedig
Ich bedaure ja ein wenig die Kinder (wie auch die sonstigen Einwohner), die in diesem Touristenloch leben müssen. Hier ballern die Jungs einen Fußball unbekümmert immer wieder gegen die Kirchenwand.
Eine schöne Alternative zu Venedig ist Treviso... wie auch viele andere kleine Städtchen auch, die es nicht auf die Titelseiten der Reiseführer schafften.
Mit der Bahn nach Venedig fahren, hat was. Und ich musste noch nicht Eintritt zahlen.