Heute bin ich mal wieder eine längere Strecke gegangen. Damit liege ich gut im Plan und werde in Syrakus gewiss noch Zeit für einen Gang an die Arethusa-Quelle haben, dem eigentlichen Ziel von Seumes Reise.

Mein Weg führte mich heute ganz überwiegend über Feldwege und kleine Straßen, dabei vor allem über die Vorgängerroute der heutigen SS115. Die neue Straße ist für Fußgänger und eigentlich auch Radfahrer weitgehend unpassierbar. Keine Fußwege ist ja normal in Italien. Hier aber geht es oft durch enge Geländeeinschnitte, durch Tunnel und über lange Brücken. Die alte Route windet sich hingegen in vielen Kurven durch die Täler. Sie ist jedoch, da vermutlich nur noch für die Landwirtschaft und den lokalen Verkehr genutzt, in einem schlechten Zustand, vor allem dort, wo sie nur noch Feldwegniveau hat. Da gibt es oft, große Pfützen und Schlammlöcher zu umkurven, was nicht immer gut geht. Ein paar Mal dachte ich: ok, jetzt gehe ich mal ein wenig durchs Gras, dass die Schuhe wieder sauber werden, dann kam das nächste Schlammloch. Alles ist noch sehr nass von den Regenfällen der letzten Woche. Ich jedoch hatte auch heute Glück mit dem Wetter. Nur am Nachmittag zog sich der Himmel zu, aber es blieb trocken.

Die Gegend ist dünn besiedelt, es gibt vor allem einzelnstehende Häuser und viele verlassene, zum Teil stark verfallene Gehöfte. Die Landschaft ist geprägt durch riesige Gewächshausflächen, in Folien und Netze eingehüllte Obstplantagen und gelegentlich Solarpaneele. Auch Windräder sah ich hier zum ersten Mal auf italienischem Boden. Diese glänzenden Plastikflächen der Folienzelte kann man mit Wohlwollen als Landart wahrnehmen. Es ist ohnehin alles kahl, sieht man von Olivenhainen ab, die sich selten auf die Berghänge ziehen. Wer aber in Deutschland die angebliche Verspargelung der Landschaft beklagt, sollte sich hier in Sizilien einmal Gedanken machen, wie und womit sein Gemüse produziert wird.

In Palma di Monteciaro wollte ich etwas essen. Bei einem Bäcker kaufte ich Brot und ließ mir ein Stück Pizza warm machen. Das ist immer so eine Sache: Ich will gern einmal am Tag etwas Warmes essen. Aber wenn die Pizza (wie hier leider oft üblich) aus der Mikrowelle kommt, ist das ein labberiges feuchtes Teil. Noch schlimmer war es heute, denn die Pizza war mit Pommes belegt. Immerhin Kartoffel, aber eben recht matschig.

Heute bin ich vier Menschen begegnet, die entweder aus Deutschland zu Besuch da waren oder längere Zeit in Deutschland gearbeitet haben. Am interessantesten war ein Gespräch mit einem Gemüsehändler und dessen Frau, beide sprachen recht gut Deutsch. Er beklagte sich über die Verhältnisse auf Sizilien. Die Jungen ziehen weg, es gibt eine hohe Arbeitslosigkeit und die Älteren haben keine Kaufkraft. Die gestiegenen Energiekosten zwingen ihn, abends kellnern zu gehen. Sein Sohn tut Gleiches in Berlin. Die Steuern seien zu hoch, und viele gehen gar nicht erst arbeiten und kassieren Sozialhilfe. Dagegen, gegen die hohe Sozialhilfe, wolle nun Meloni endlich vorgehen, meinte er. Ich fragte ihn, ob das denn der fehlenden Kaufkraft in Sizilien helfen würde. Wir waren uns einig, dass es eigentlich einen ordentlichen Mindestlohn geben müsse, der unter Meloni nicht zu erwarten sei. Aber auch er hat offensichtlich Meloni gewählt oder findet sie irgendwie gut.

Ich lobte die Italiener ob ihrer Freundlichkeit. Da widersprach er: wenn ein Fremder kommt, ist man freundlich. Aber untereinander im Dorf oder eben in dieser kleinen Stadt seien die Leute oft wie Hund und Katze und vom Neid zerfressen.

Hinter Palma di Monteciaro bin ich noch ein Stück weitergegangen bis an die Küste, nach Ciotta, wo ich ein günstiges Zimmer fand. Nicol und Luigi kamen aber nur kurz vorbei an ihrem Ferienwohnungspalast und wiesen mich ein. Es gibt wohl um die acht Zimmer in diesem Anwesen, das ich nun hüte, um morgen früh alle Schalter wieder umzulegen und den Schlüssel in den Briefkasten zu werfen.

Ein schönes Land in Plastik verpackt. Endlos Gewächshäuser und überall Folienfetzen, die der Wind herumtreibt.

Tag 97 Von Villagio Mose über Palma di Monteciaro nach Ciotta

06. Dezember 2022, 27 km bis km 2.575

Palma di Monteciara

Ein Bahnhofsgebäude an einer aufgegebenen Bahnstrecke hinter Monteciara

Bald bin ich am Quartier an der Südküste