Der Regen ist übrigens so beharrlich, dass der Kanal an einige Stellen überläuft. Das Wasser rauscht über die Kanten der Schleusentore und überflutet Teile der kleinen Kays an den Schleusenkammern.
So tourte ich denn wieder am Kanal entlang bis Saint Dizis, 30 km, mein alternatives Tagesziel. Aber nach einem Mittagessen im einzig geöffneten Restaurant wusste ich, es lohnt nicht zu bleiben, stattdessen lieber Strecke machen. Und wieder raus ins Geniesel. Gegen 14 h lies es nach, und es gab sogar einige Sonnenflecken in der Landschaft. Aber dann folgte meine erste ernstzunehmende Bergetappe. 490 Höhenmeter bewältigt man nur schiebend.
Nach der ersten Kuppe und einer rasanten Abfahrt habe ich bei Sonne aber kühlem Wind im kleinen Dörfchen Stainville auf einem Spielplatz gerastet. Wenn man erschöpft ist, kühlt man schnell aus. Also weiter auf die nächste Kuppe. Ich fuhr übrigens immer parallel zur Autobahn N4. Da hatte ich erst Schlimmes befürchtet. Aber tatsächlich war auf der alten Landstraße, die ich nahm, kaum Verkehr.
Zum Finale nochmal eine Schussfahrt ins Tal nach Ligny-en-Barrois. Hier habe ich ein Zimmer in einem Zwei-Sterne-Hotel: Abfluss der Dusche funktioniert nicht wirklich, Klodeckel lose, Zudecke ist nicht bezogen. Aber sehr nette türkische Betreiber mit Sprachkenntnissen in Englisch und Deutsch. Sind die (ausgewanderten) Türken die wahren Europäer? Heute Mittag im Restaurant wurde ein Rentner herbeigeholt, die mir die Speisekarte ins Englische übersetzte. Immerhin. Ich wollte was mit Gemüse. Aber ihr Deutschen wollt doch immer Wurst! Wandte der Übersetzer ein. Ich bin ja nicht so ein richtiger Deutscher, antwortete ich. Und bekam dann eisekaltes Zeug aus der Büchse als „Salatteller“.
Ich habe mir noch die hiesige Kirche aus dem 13. Jahrhundert angesehen, sie war zufällig offen. Ein kleiner Rundgang durch die Stadt verstärkte den Eindruck: die Hälfte der Häuser steht zum Verkauf, etliche Länden und Kneipen sind dicht. Das Stadtbild hat nach meinem Eindruck wesentlich mehr vom Mittelalter bewahren können als vergleichbare deutsche Städte. Vielleicht haben Kriege nicht do krass zugeschlagen oder einfach der fehlende Wohlstand Radikalsanierung verhindert. Jetzt sitze ich bei einem Griechen, der zugleich eine Art Bar ist. Wieder liegt die Männerquote deutlich über 95 %. Eigentlich wollte ich Obst kaufen. Hoffentlich kappt das noch morgen früh.
Es gibt aus diesem Ort auch was Positives zu berichten: eine Tankstelle mit angeschlossener Fahrradwerkstatt. Dort habe ich mir noch mal frische Luft in die Reifen geholt und die Schrauben der Schutzbleche nachgezogen. Der Junge Mechaniker hat mit dem Roller zwischen den Zapfsäulen eine Proberunde gedreht. Fand er gut.
Wieder am Kanal. Manchmal haben Industrieruinen in ihrem Bewuchs etwas Antikes.
Tag 6 Von Vitry-le-Francoise nach Ligny-en-Barrois
Im Schleusenwärterhaus.
Die alten Speicher. Ich kanns nicht lassen. Ist aber auch sonst nichts los am Kanal.
Auf dem Weg ins Zentrum von Saint-Dizis.
Eine alte Raststätte am Scheitelpunkt meiner Tour
Die D 106 war mal stark befahren, als es die Autobahn noch nicht gab. Im Dorf Stainville tragen fast alle Häuser verblichene historische Werbung.
Die Kirche von Ligny-en-Borraise. Seume wird sie gesehen haben.