Heute Morgen habe ich nochmal kurz beim Dom vorbeigeschaut. Ich wollte ihn wenigstens von außen gesehen haben. Zu einer Besichtigung des Inneren hatte ich keine Lust, zumal ich schon mein Rolleroutfit mit kurzen Hosen angelegt hatte. Auf dem Platz des Domes fand ich aber noch ein außergewöhnliches Relikt des 1. Weltkriegs: eine Nagelsäule. Diese Sitte kannte ich aus der Belletristik, ich glaube Arnold Zweig erwähnt sie in einem seiner Romane. Es war eine Methode, während des Krieges von der Bevölkerung Geld abzupressen. Man konnte (überteuerte) Nägel kaufen mit unterschiedlich großen oder auch verzierten Köpfen und diese dann in hölzerne Säulen oder sogar Skulpturen einschlagen. Die Kommunen wetteiferten um den Rang der am schnellsten vollständig zugenagelten Säule oder Skulptur. Das war gewissermaßen primitive partizipative Kunst.

Ebenso in Mainz fand ich am Vorabend auf einer kleinen Grünfläche in der nördlichen Vorstadt eine Erinnerungsstätte für irgendein traditionelles in Mainz stationiertes kurfürstliches Blabla-irgendwas-Regiment . Auf einer langen Mauer waren kunstvoll sämtliche Feldzüge dieser militärischen Formation seit dem 18. Jahrhundert mit Jahreszahlen und Orten aufgeführt. Der Hammer war jedoch eine nachträglich, offenbar nach 1945 dort errichtete Säule, in der die Einsatzorte in der Sowjetunion während des 2. Weltkrieges aufgelistet waren, in so einer Art Zeitstrahl, ganz nach dem Motto: Schaut mal, was wir in den letzten 300 Jahren alles tolles gemacht haben.

Ich will nicht verschweigen, dass es auch andere Erinnerungstafeln gibt, z.B. am Ufer des Rhein bei Nierstein, wo die Amerikaner im 2. Weltkrieg binnen 18 Stunden eine Pontonbrücke zur Überwindung des Flusses gebaut haben.

Ich überquerte auf dem Fahrradsteig der alten Eisenbahnbrücke den Rhein., landete an der Einmündung des Main und fuhr an dessen Ufer eigentlich den ganzen Tag. Dabei passierte ich das Opelwerk in Rüsselsheim. Dort machte ich von der Uferpromenade einen kurzen Abstecher zu einem Hotel, wo ich mir eine professionelle Luftpumpe leihen konnte. Zuvor hatte ich versucht, an einer Art Selbsthilfesäule für Radfahrer meine Reifen aufzupumpen, aber es zischte mehr raus, als ich reinbekam. Liebe EU! Bitte vereinheitliche Fahrradventile und Luftpumpen!

Ich passierte ein riesiges Tanklager für den Flughafen FFM, dessen Flugzeuge fast ununterbrochen über mir lärmten, und machte gegen Mittag in einem Biergarten bei Kelsterbach Rast bei Linsensuppe und Bier.

Dann ging es an den Hoechst-Chemiewerken vorbei.

Es war tolles Wetter und zahllose Menschen waren unterwegs. Bei leichtem Gegenwind fuhr ich wieder einen Schnitt von 14,4 km/h. Bis ich schließlich auf der Uferpromenade des Main in Frankfurt ankam, wo die Massen flanierten. Für zwei Tage werde ich jetzt in einem bezahlbaren Hotel in der Altstadt residieren. Morgen ist Ruhe- und Museumstag.