Das wird mein letzter Ruhetag auf dieser Reise sein, denn ich habe mich entschieden, die verbleibende Strecke bis Leipzig am Stück zu machen, also in den kommenden acht Tagen. Eine größere Herausforderung wird noch die Überquerung des Thüringer Waldes werden, aber die durchschnittliche Etappenlänge wird bei 50 km liegen, und das ist das Tagespensum, das ich jetzt ganz gut bewältige.

Seume schreibt kaum mehr Details zu der Landschaft hier, zu seinen Wegen. Er erwähnt noch einige Städte am Weg, Begegnungen mit diversen Leuten. Aber Flüsse, Flussüberquerungen, Bergrücken, Straßenverläufe finden kaum mehr Beachtung in seinen Schilderungen.

Vielleicht war er ausgebrannt nach acht Monaten Reise, hatte keine Lust mehr auf geographische Details. Oder er ging davon aus, gerade die deutschen Leser zu langweilen, mit Angaben zu Routen und Regionen, die damals jedem bekannt waren. Vielleicht wollte er auch einfach im Kopf schnell wieder nach Hause. Einzig der Aufenthalt am damals sehr progressiven Weimarer Hof, nimmt noch Raum in seinen Schilderungen.

Ein wenig geht es mir auch so. Bis zur thüringischen Grenze könnte ich noch mit Überraschungen, Erkenntnisgewinn rechnen. Aber hinter Vacha, Schmalkalden, Erfurt, Weimar, Apolda, Weißenfels wird es langweilig. Vielleicht sehe ich die Landschaft noch mal etwas anders mit den Bildern aus Frankreich im Kopf, mit dem seumeschen Blick oder meinem spezifischen, den ich während der Reise entwickelt habe.

An Frankfurt habe ich gute Erinnerungen. Es ist eine Stadt, in der mir nie etwas Doofes passiert ist, von Zugverspätungen abgesehen.

Ich habe etwa 5 Stunden in Museen zugebracht. Erst in der Schirn (FEELINGS von Cosima von Boni, War eher nicht so meins, alles sehr mickymausig.) Dann das Städel. Da gab es eine Sonderausstellung zu Käthe Kollwitz. Aber am besten finde ich dort immer die Moderne des 20. und 21. Jahrhunderts, eine wirklich tolle Sammlung. Da zahle ich doch gern meine Kontoführungsgebühren, wenn die ganzen in FFM ansässigen Banken dann Kunst dafür kaufen.

Auf dem Weg zurück ins Hotel ist mir dann noch mal aufgefallen, wie menschenfremd die Stadtplanung hier lief und läuft. Aufenthaltsqualität gibt es (abgesehen vom anderen Ufer in Sachsenhausen) eigentlich nur in den Vierteln, in denen man mit hilflosen Remakes die alte Stadt simuliert hat. Dort laufen auch die ganzen asiatischen Touristen rum und denken, das sei typisch Deutschland. Automatisch sind dort die Dimensionen von Straßen und Plätzen wieder so, dass sie fußgängertauglich sind. Aber es sind nur Butiken und Gastronomie anzutreffen. Vergeblich suchte ich einen Supermarkt für Obst und andere Lebensmittel. Wenn so etwas fehlt, zeigt das immer auch, dass die Gegend nicht wirklich bewohnt ist. Erst östlich von meinem Hotel fand ich dann einen ALDI.


Von diesem Panorama hätte Seume einzig den Dom (rechts hinten) wiedererkannt.

Tag 21 Ruhetag in Frankfurt/Main

21. Mai 2024, km 803,5
Viel Sky, wenig Line.